Innovationen made by Open Source

Open Source für »100% Logistik«

Mehr als drei Millionen Organisationen nutzen sie, mehr als 65 Millionen Menschen arbeiten mit ihr, mehr als 200 Millionen Speicherorte für Open Source Software (kurz OS bzw. OSS) gibt es weltweit. Diese Zahlen zeigen: Open Source Software ist ein fester Bestandteil der digitalen Wirtschaft und heute auch Bestandteil nahezu sämtlicher Innovationsprozesse. »Open Source Software ist aus der heutigen Welt in der Tat nicht mehr wegzudenken: Sie ist häufig die erste Wahl von Unternehmen und steht in vielen Fällen der Software von kommerziellen Anbietern in nichts nach«, sagt auch Carina Culotta, eine der Autorinnen von »Open Source als Innovationstreiber für Industrie 4.0«, einer Expertise des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0. »Inzwischen scheint es auch offensichtlich zu sein, dass die digitale Transformation der Wirtschaft ohne den Einsatz von Open Source nicht gelingen kann.«

Die Expertise beschäftigt sich mit dem Thema Open Source vor allem mit Blick auf die Industrie 4.0. Im Mittelpunkt stehen dabei Prozessautomation und -flexibilisierung, Themen aus den Bereichen Konnektivität und Kommunikation (z. B. Internet der Dinge und Datenräume) sowie Daten und Analytik (z. B. Big Data und Künstliche Intelligenz) – allesamt Bereiche mit einem starken Technologiefokus. Dabei zeigt die Studie: Genau diese Bereiche profitieren im Besonderen von Open Source Software. Denn der Open-Source-Ansatz verhindert, dass einzelne Unternehmen zu Gatekeepern bestimmter Technologien werden, weil die Software allen Unternehmen gleichberechtigt zur Verfügung steht.

Mit Open Source Standards etablieren

Gleichzeitig lassen sich durch die Implementierung von Open Source Software Standards schneller etablieren. »Die Logistik krankt momentan noch daran, dass für bestimmte gut standardisierbare Dienste und Anwendungen wie digitale Transportdokumente oder Track&Trace-Services jedes Unternehmen seine eigene Lösung entwickelt – mit eigenen Ressourcen und auf eigene Kosten. Besser wäre es, wenn alle auf dieselbe Open Source-Lösung setzen bzw. zumindest aufsetzen und diese weiterentwickeln würden«, sagt Christian Prasse, am Fraunhofer IML unter anderem für das Community-Management der Silicon Economy zuständig. Die Silicon Economy ist das derzeit größte Open Source-Forschungsprojekt der Logistik in Deutschland, gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Mit dieser Initiative hat sich das Institut erstmals dazu entschieden, Entwicklungen für die digitale Logistik in großem Rahmen quelloffen zur Verfügung zu stellen. Mehr als ein Dutzend Lösungen für unterschiedlichste Anwendungen liegen bereits im Open Logistics Repository vor – einem Speicherort für OS-Software, der von der Open Logistics Foundation betrieben wird. Die Non-profit-Organisation hatte sich auf Initiative des Fraunhofer IML aus dem Silicon Economy-Projekt heraus gegründet und fördert heute als unabhängige und neutrale Koordinierungsstelle für Open Source Projekte in der Logistik – nicht nur in Deutschland, sondern international. Das Fraunhofer IML gehört zu den strategischen Mitgliedern der Stiftung.

Open Source als Innovationstreiber

 

Zum Nachhören

Die Silicon Economy des Fraunhofer IML wurde zum Startpunkt für mehr Open Source in der Logistik– im Podcast der Bundesvereinigung Logistik (BVL) sprechen Logistikexperten über aktuelle Projekte.

 

Zum Nachlesen

Die Expertise »Open Source als Innovationstreiber für Industrie 4.0« zeigt auf, welche Bedeutung OS in den Unternehmen von heute hat.

 

Nachgefragt

Prof. Dr. Dr. h. c. Michael ten Hompel beantwortet im Gespräch mit der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften drei Fragen zu Potenzialen von Open Source und zu Handlungsoptionen für die Logistik.

Unternehmen beim Einsatz von Open Source unterstützen

Doch Unsicherheit im Umgang mit Open Source Software ist für viele Unternehmen eine Hürde für den Eintritt in die Open Source-Welt. »Die Nutzung und Verwendung von Open Source ist in Unternehmen immer noch stark erklärungsbedürftig«, wissen auch die Forschenden am Fraunhofer IML. »Aber ob beim Internet der Dinge, beim Maschinellen Lernen oder bei immersiven Technologien wie Virtual Reality – immer wieder ist quelloffene Hard- und Software Grundlage und Treiber des Wandels.« Die Expertise der Plattform Industrie 4.0 zeigt auch einmal mehr ganz konkrete Nutzen von Open Source Software auf: Danach begünstigt sie Innnovationsgeschwindigkeit von Unternehmen – nicht nur von Konzernen, sondern gerade auch von kleinen und mittelständischen Betrieben. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom verfolgen diese inzwischen sogar häufiger eine Open Source-Strategie.

Open Source Software möchte üblicherweise vor der Verwendung adaptiert, eingebettet oder ergänzt werden – hier ist dann teilweise Unterstützung erforderlich, z. B. bei der Anpassung der Software auf ihren spezifischen Anwendungsfall. Letztlich geht es aber auch darum, dass Unternehmen auf Basis der Lösungen, die ihnen kostenfrei zur Verfügung stehen, Geschäftsmodelle entwickeln, mit denen sie sich für die Zukunft besser aufstellen und mehr Umsatz generieren können. »Die Open Source-Experten am Fraunhofer IML unterstützen Unternehmen dabei, sich mit Open Source vertraut zu machen und die entsprechende Software zu adaptieren«, so Christian Prasse und Michael Schmidt.

Das Angebot reicht von Workshops, in denen Unternehmen den Nutzen durch die Verwendung von Open Source-Komponenten bzw. die Entwicklung von Open Source Hard- und Software für sich bewerten können, bis hin zu Projekten, in denen die Experten die Integration in die Geschäftsprozesse bzw. Adaption von Komponenten bzw. Services für Unternehmen durch die Fachabteilungen des Fraunhofer IML übernehmen.

Erfolgreiche Open Source- Industrie- und Pilotprojekte

Gemeinsame Open Source Entwicklung mit DB Schenker

Im Rahmen des DB Schenker Enterprise Labs haben DB Schenker und Fraunhofer IML das Open-Source-Framework MLCVZoo (Machine Learning Computer Vision Zoo) initiiert und veröffentlicht. Das Framework stellt ein Ökosystem von Computer-Vision-Algorithmen zur Verfügung, die in einer Pipeline zusammengefügt werden können – unabhängig von den konkreten Implementierungen der Algorithmen. Mit dem MLCVZoo als Grundlage kann DB Schenker aktuelle State-of-the-Art Object Detection- und OCR-Algorithmen einsetzen, ohne an eine bestimmte Implementierung gebunden zu sein. Zudem wird durch eine generische Daten-API und Modell-API die Anbindung der Algorithmen stark vereinfacht.

Vier Beispiele aus der Praxis

DACHSER testet eCMR-Dienst in der Praxis

Der heute noch in der Regel papierbasierte Frachtbrief für den internationalen Straßengüterverkehr (CMR) erfordert hohe administrative Aufwände mit zahlreichen manuellen Tätigkeiten. Zu den derzeitigen Hauptproblemen gehören eine Vielzahl unterschiedlicher Formate, Medienbrüche und Übertragungsfehler. Vor diesem Hintergrund haben die Forschenden der Silicon Economy einen Service zur Erzeugung, Speicherung und Weitergabe von digitalen Frachtbriefen (eCMR) konzipiert. Der international tätige Logistikdienstleister DACHSER hat den eCMR nun mit dem Fraunhofer IML im grenzüberschreitenden Stückgutverkehr getestet.

Zollabwicklung mit Smart Contracts automatisieren

Im Entwicklungsprojekt BORDER von Blockchain Europe wird erforscht, wie und in welchen Bereichen des Zollabwicklungsprozesses die Blockchain-Technologie in Kombination mit Smart Contracts bestehende Prozesse weiter automatisieren und die Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren, auch international, verbessern kann. Die Ergebnisse werden unmittelbar über die Entwicklungs- und Konzeptionierungspartnern AEB SE und Adient in die Praxis transferiert. Ziel ist es, jegliche Zolldokumente in digitaler Form verfügbar und die Papierform überflüssig machen.

Spedition plant Transporte effizienter mit »KI-ETA«

Kleine Speditionen und Transportdienstleister sind in Deutschland bislang wenig digitalisiert. Die Planung und Organisation der Fahrten erfolgt üblicherweise mit Stift und Papier, die Kommunikation überwiegend per Mail, Telefon oder Fax. Doch die Anforderungen steigen, die manuelle Disposition gelangt an ihre Grenzen. Ein Speditions- und Logistikunternehmen aus dem Siegerland hat daher die Chance genutzt, Pilotierungspartner für eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Ankunftszeitenprognose zu werden. Unterstützt von Experten, wird die »KI-basierte ETA« im Rahmen eines Umsetzungsprojekts des Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL implementiert.

FAQs zu Open Source

Hier finden Sie die Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Open Source.

  • Open Source ist ein lösungsneutrales Lizenz- und Kooperationsmodell. Es ist ein unverzichtbarer Baustein, um Standards – seien es Datenmodelle oder Schnittstellen, aber auch Komponenten und Dienste – deutlich schneller in die Anwendung zu bringen. Open Source bezeichnet Software, deren Quelltext öffentlich und frei von Dritten eingesehen, geändert, genutzt und kommentiert werden können.

  • Ein Repository ist ein Speicherort von beziehungsweise für Softwareprojekte. Repositorien unterstützen typischerweise die Versionierung und die kollaborative Entwicklung mit mehreren Partnern bzw. Entwicklern der Projekte. Das Repository der Open Logistics Foundation verwendet GitLab. In dem Repository stellt das Fraunhofer IML die Entwicklungen der Silicon Economy Unternehmen zur freien Verwendung und zur aktiven Weiterentwicklung zur Verfügung.

  • Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Lizenzen: zum einen permissive Lizenzen, die es Unternehmen ermöglichen, abgeleitete oder distribuierte Werke unter eine Lizenz zu stellen, die nicht die ursprüngliche Lizenz sein muss. Zum anderen gibt es Copyleft-Lizenzen, die den Lizenznehmer verpflichten, jegliche Bearbeitung des Werks unter die Lizenz des ursprünglichen Werks zu stellen. Sämtliche Entwicklungen im Open Logistics Repository stehen unter einer solchen permissiven Lizenz. Das heißt: Unternehmen können die Weiterentwicklung von OS Software aus dem Repository kommerzialisieren.

  • Das Open Source-Modell ist besonders für sogenannte nicht-marktdifferenzierende Lösungen oder Dienste geeignet, zum Beispiel Track-&Trace-Lösungen oder Fahrer-Apps, die alle Unternehmen zur Abwicklung von Leistungen oder als Baustein für Servicequalität benötigen und die sie demnach auch nicht voneinander abheben. Vor diesem Hintergrund ist es zum einen sinnvoll, dass Unternehmen solche Software gemeinsam entwickeln. Zum anderen erfolgt durch die reihenweise Implementierung der Software eine De-facto-Standardisierung (im Gegensatz zum De-jure-Standard, einem von einer Standardisierungsorganisation rechtlich definierten Standard).

Unsere Open Source Projekte

 

Schritt für Schritt in die Silicon Economy

Die Forschenden der Silicon Economy am Fraunhofer IML haben bereits zahlreiche Lösungen als Open Source veröffentlicht – ein Überblick über die Komponenten.

 

Blockchain praktisch anwenden

Das Projekt »Blockchain Europe« zum Aufbau des Europäischen Blockchain-Instituts in NRW treibt die Blockchain-Technologie auf der Basis von Open Source-Lösungen voran.

 

Gemeinsam Lösungen finden

In der Open Logistics Foundation entwickeln Unternehmen gemeinschaftlich Open Source-Lösungen für Standard- und Basisfunktionalitäten in der Logistik.

 

Transportleitsystem für Roboter & Co.

Mit der Leitsystem-Software openTCS lassen sich Flotten von automatischen Fahrzeugen koordinieren und z.B. Transportprozesse in Produktionsanlagen oder Lagern optimieren.

 

Wir machen Industrie 4.0 rechtssicher

Im Projekt »Industrie 4.0 Recht-Testbed« entsteht ein digitales Experimentierfeld für automatisierte Geschäftsprozesse. Die Lösungen stehen Open Source zur Verfügung.