In Zeiten der individualisierten Dienstleistungen und Produkte wird es der Logistik über die physische Warenbewegung hinaus zuteil, Dinge informatorisch zu identifizieren und miteinander in globalen Supply Chains zu vernetzen. Das sogenannte »Tracking&Tracing« stellt im Rahmen der Planung und Steuerung von logistischen Systemen eine Grundvoraussetzung dar, um die Verfügbarkeit der richtigen Informationen echtzeitnah für sämtliche Waren zu gewährleisten. Eine besondere Herausforderung für die dynamische (Selbst-)Steuerung der Warenflüsse obliegt der intelligenten Datenverarbeitung in Form verteilter Algorithmen.
Die Planung von Materialflusssystemen beruht klassischerweise auf einem vorgeplanten, maximalen Durchfluss (Grenzleistungsbetrachtung) an bestimmten Punkten eines Systems. Durch eintreffende Ereignisse (Events), die zu einer alarmierenden Planabweichung führen können, wird jedoch der durchgängige Warenfluss beeinflusst und die ex ante geplante Regelbarkeit der Leistung ad absurdum geführt. Je nachdem, an welcher Stelle Events auftreten, hat dies Auswirkungen auf die komplette Supply Chain. Dazu zählen als wichtige Knotenpunkte ebenfalls die Logistikzentren, die in besonderem Maße flexibel und aktiv auf Events reagieren müssen. Durch das hohe Verkehrsaufkommen an großen Umschlagknoten kommt es vermehrt zu Störungen im Materialfluss: LKW verspäten sich, innerbetriebliche Ressourcen und Systemlasten variieren, Anschlusstransporte und Kapazitäten ändern sich kurzfristig. Um die Komplexität des Materialflusses zu beherrschen, wird eine Methode zur Planung und Steuerung des Materialflusses als Ad-hoc-Reaktion auf Ereignisse benötigt.
In der heutigen Praxis erfahren Mitarbeiter eines Logistikzentrums in der Regel erst von Störungen, wenn diese schon eingetreten sind und ein Entgegensteuern nahezu unmöglich ist. Das Logistikzentrum ist in der Supply Chain sowohl der Dynamik als auch der Intransparenz des Informations- und Materialflusses besonders ausgesetzt. Die Mitarbeiter müssen sich dabei auf ständig wechselnde Situationen durch unvorhergesehene Ereignisse einstellen und in kürzester Zeit weitreichende und komplexe Entscheidungen treffen.
Das im Rahmen der Arbeit entwickelte Multiagentensystem (EventPlan) in einem Logistikknoten fokussiert einen ereignis- und ressourcenorientierten Ansatz zur dynamischen Disposition von logistischen Objekten. Das System unterstützt den Logistikentscheider, in begrenzter Zeit eine hinreichend gute Entscheidung zu treffen. Als Ergebnis werden Aufträge neu priorisiert und umgeplant oder Ressourcen reallokiert. Dabei wird die Entscheidung dem Verantwortlichen nicht abgenommen, sondern er wird durch die Analyseergebnisse unterstützt. Über Handlungsmöglichkeiten, wie den Einsatz zusätzlicher Ressourcen, entscheidet somit immer der verantwortliche Mitarbeiter.
Die Praxistauglichkeit erfordert dabei für das dynamische, echtzeitnahe Scheduling von Aufträgen und Ressourcen eine skalierbare, übertragbare Methode, welche Ereignisse echtzeitnah verarbeiten und autonom Nachfolgeaktionen anstoßen kann. Aus diesen Gründen wird ein dezentraler Algorithmus zur Kommunikation und Steuerung auf Basis eines Multiagentensystems aufgebaut und anhand der hochdynamischen Luftfrachtlogistik validiert.
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