»Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Welchen Einfluss wird sie in den kommenden Jahren auf Ihren jeweiligen Institutsbereich haben und wie werden wir als Gesellschaft davon profitieren?«
Henke: KI hat einen riesigen Einfluss auf Logistik im Allgemeinen und die Unternehmenslogistik im Besonderen. Large Language Models und Foundation Models werden zukünftig auch verstärkt entlang von Supply Chains eingesetzt, um diese besser als jemals zuvor managen zu können – sei es bei der Bedarfsprognose oder beim Risikomanagement, sodass wir z. B. sicher sein können, dass der morgens frisch aufgebrühte Kaffee tatsächlich aus nachhaltigem Anbau stammt. Bei welchem Einsatzgebiet von KI auch immer – es wird auch zukünftig darum gehen, Technologien miteinander zu verbinden und neue Geschäftsmodelle abzuleiten. Wir starten beispielsweise mit SKALA gerade ein großes, vom BMDV gefördertes Projekt, in dem skalierbare KI- und Blockchain-Lösungen zur Automatisierung und Autonomisierung in Wertschöpfungsnetzwerken entwickelt werden. Deren Einsatz ist hier deshalb so herausfordernd, weil eine Vielzahl wirtschaftlich unabhängiger Partner Daten, Güter und Werte austauschen, die einander nicht notwendigerweise vertrauen. Das Heben des Potenzials von KI setzt Transparenz und Datensouveränität voraus, die durch die Blockchain-Technologie realisiert werden können. Die KI- und Blockchain-Komponenten, die in SKALA in Form von Softwarebausteinen, KI-Modellen, Smart Contracts und Adaptern zur Anbindung von Drittsystemen als Open Source entwickelt werden, bieten die einzigartige Möglichkeit, schnell und effizient De-facto-Standards für eine Technologiekonvergenz zu schaffen und zu verbreiten, wie es für einzelne Unternehmen nicht möglich wäre.
Clausen: Die KI hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung genommen und durchdringt immer mehr Bereiche unseres Alltags und des Wirtschaftslebens. Sie kann uns helfen, repetitive Aufgaben automatisiert erledigen zu lassen. Sie führt schon heute zu mehr und besser personalisierter Information, kann Routenempfehlungen oder Gerätesteuerungen – von Logistikanlagen bis zu Smarthome-Anwendungen – verbessern helfen. Für die Analyse großer Datenmengen bietet sie ganz neue Möglichkeiten, und auch das Potenzial im kreativen Bereich (Text, Bild oder Video) ist beeindruckend. Wenn wir in der Verkehrslogistik z. B. Bilder und große Datenmengen effizient analysieren, dann wird das helfen, Betriebsabläufe und Planungsentscheidungen zu verbessern. In der maritimen Logistik koppeln wir erfolgreich Spracherkennung und Funkortung auf See. Im Healthcare-Bereich kann die Diagnosequalität verbessert und hoffentlich auch die nötige Dokumentation von Therapie und Pflege effizienter erfolgen. In all diesen Bereichen arbeiten wir als Fraunhofer IML am Puls der Zeit und schaffen durch Innovationen Werte für unsere Partner in Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen.
Kirchheim: Gerade in den letzten beiden Jahren haben die großen Sprachmodelle die Nutzbarkeit von Künstlicher Intelligenz im beruflichen und privaten Alltag in das Zentrum der Aufmerksamkeit katapultiert. Nun geht es darum, aus dem ersten Hype heraus Anwendungen für die Industrie zu entwickeln. Ein tolles Beispiel für die praktischen Möglichkeiten ist das automatische Generieren von Nachhaltigkeitsberichten. Wir entwickeln eine Lösung, um Daten aus einem ERP-System automatisch zu generieren, diese Daten zusammenzuführen und, falls es erforderlich ist, Berechnungen durchzuführen, um diese dann nach den geltenden Regelungen in einen Nachhaltigkeitsbericht zu überführen. Ich kenne niemanden, der solche Aufgaben gerne zu Fuß macht, und außerdem ist das eine sehr fehleranfällige Tätigkeit. Wenn solche Tätigkeiten wegfallen, können sich Fachkräfte künftig auf das konzentrieren, was wir Menschen am besten können. Wenn Sie das weiterdenken und mal sammeln, wie viele solcher Aufgaben es in Unternehmen gibt, dann wird davon die gesamte Gesellschaft profitieren.