Mythos oder machbar? Auf der Forschungslandkarte des Standortes Dortmund sind mehr als 20 Einzelprojekte rund um das maschinelle Lernen (ML) markiert, mit denen sich die Wissenschaftler des Fraunhofer IML aktuell auseinandersetzen. Es gibt Fortschritte, die auf einen reellen Mehrwert dieser Methodik verweisen. Doch bei der Umsetzung sind noch einige Hürden zu meistern.
Den Überblick über die Vielzahl an Aktivitäten hat Anike Murrenhoff. Sie leitet den Anfang 2019 gegründeten Research-Clan »Maschinelles Lernen« des Leistungszentrums für Logistik und IT, ein Zusammenschluss führender Forschungsunternehmen, darunter das Fraunhofer IML. Ihren Worten zufolge bedeutet ML, Maschinen zu befähigen, Dinge zu tun, ohne sie explizit dafür programmieren zu müssen. Statt spezifischen Handlungsanweisungen zu folgen, sollen die Maschinen »selbst die beste Aktion« finden. Dies gelingt, indem sie auf Grundlage von Trainingsdaten ein statistisches Modell ableiten, auf dessen Basis sie dann ihre Entscheidungen treffen.
Maschinelles Lernen versteht sich dabei jedoch nicht als Synonym für ein bestimmtes Lernverfahren, stattdessen gibt es mehrere Methoden. Was für die Datenbasis und die verwendeten Algorithmen gilt, trifft auch auf die Einsatzmöglichkeiten von ML-Verfahren zu. »Für maschinelles Lernen gibt es verschiedene Anwendungsbereiche«, unterstreicht Anike Murrenhoff. Die Projekte am Standort Dortmund sind zum Beispiel der Intra-, Unternehmens- und Transportlogistik oder vereinzelt auch dem Health-Care-Sektor zugeordnet.
Eine Frage der Daten
Einen Teil des Kaleidoskops der ML-Aktivitäten am Fraunhofer IML machen die variierenden Prognosemodelle aus, mit denen sich Martin Friedrich beschäftigt. Vorherzusagen gibt es in der Logistik einiges: Mengenentwicklungen, den Strombedarf für E-Lkw, Fahrzeit und Estimated Time of Arrival (ETA). Für die Prognosen kombinieren die Projektmitarbeiter interne und externe Daten, auch unter Einbeziehung von kalendarischen Angaben oder Wetterinformationen. Sobald eine Vielzahl an Variablen Einfluss auf das gewünschte Ergebnis nimmt, lohnt sich nach Einschätzung der Forscher der Einsatz von ML. Die Zusammenhänge seien dann oft zu komplex, so dass Menschen sie analytisch in einer einfachen Geradengleichung nicht erfassen können. Auf Grundlage der mittels ML berechneten Modelle würde es hingegen gelingen, diese durchgängig abzubilden. Hinderlich ist jedoch die oftmals mangelhafte Datenverfügbarkeit. Denn wenn Algorithmen zuverlässige Ergebnisse abliefern sollen, wird oftmals eine Vielzahl an Informationen benötigt.
Diese sind – zum Teil aus datenschutzrechtlichen Gründen – nicht immer zugänglich, fehlen teils ganz oder ihre Qualität ist nicht ausreichend. So sei es zum Beispiel schwierig, hinreichend qualitativ abgesicherte Daten speziell für Nachfrageprognosen in der Logistik zu finden. Martin Friedrich kennt zudem das Problem, dass die zur Verfügung stehenden Informationen nicht per se maschinenlesbar sind. Doch er ist zuversichtlich. Denn im Bewusstsein der meisten Unternehmen sei angekommen, welche Bedeutung adäquat aufgezeichnete Daten für ML und damit verbundene Entwicklungen haben. Jetzt könnte die Forschung weiter Fahrt aufnehmen.