Let's Dance - So werden Mensch und Maschine zum Dream-Team

Speziell in größeren Warenverteilzentren sind vermehrt Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) am Werk, die die Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit unterstützen. Umso wichtiger ist eine sichere Kollaboration. An diesem Thema forschen Wissenschaftler im Rahmen des EU-Projekts »SafeLog«. Die daran beteiligten Teams haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine flexible Systemlösung zu entwickeln, über die eine sichere und effiziente Zusammenarbeit zwischen Mensch und mobilem Roboter auch bei erhöhten Traglasten sowie gesteigerten Durchsatzanforderungen gewährleistet werden kann.

© Fraunhofer IML

Dank integrierter Scanner-Technologie teilen sich autonome Transportfahrzeuge bereits seit geraumer Zeit ihren Arbeitsraum mit dem Menschen. Möglich ist dies auch ohne Sensorik, sofern die Geräte nur geringe Traglasten mit sich führen und in moderater Geschwindigkeit ihren Parcours absolvieren. »Obwohl beide hierbei ihren eigenen Bewegungsbahnen folgen, kreuzen sich dennoch wiederholt die Wege«, sagt Preity Gupta, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Automation und eingebettete Systeme am Fraunhofer IML. »Daher entwickeln wir im Projekt SafeLog ein komplett neues Sicherheitskonzept, welches insbesondere in großen Lagerhallen zum Tragen kommt und die Interaktion zwischen Menschen und Robotern grundlegend verändern wird.« So soll es zukünftig möglich sein, auch höhere Traglasten auf schnellstem Wege sicher transportieren zu können, ohne dabei mittels Scanner navigieren zu müssen. Im Fokus steht parallel eine hohe Anzahl im Einsatz befindlicher Fahrzeuge, die dann nicht mehr zwangsweise jeweils mit Sicherheitssensorik zu bestücken sind. Letzteres soll vielmehr mit dem »Kollegen« Mensch passieren.

Warnweste hält Roboter auf Distanz

So wurden bereits spezielle Sicherheitswesten entwickelt, die ein gefahrloses Passieren der Gänge zwischen den Regalzeilen ermöglichen sollen. Diese sind mit einem Sensor ausgestattet, so dass der Werker von den Fahrzeugen lokalisiert werden kann und zudem in der Lage ist, mit anderen Systemen zu kommunizieren. Auch schickt die Weste ein Warnsignal an die in der näheren Umgebung befindlichen FTF. Diese drosseln daraufhin ihr Tempo oder stoppen gegebenenfalls auf der Stelle. In der Folge soll es zukünftig nicht länger erforderlich sein, ganze FTF-Flotten stillzusetzen, wie es bislang üblich ist, sobald Personen das umzäunte Hoheitsgebiet der autonomen Helfer betreten. Es reicht vielmehr völlig aus, vereinzelte Fahrzeuge anzuhalten beziehungsweise deren Geschwindigkeit zu verringern, um ein unplanmäßiges Aufeinandertreffen ausschließen zu können. Der vorfahrtsberechtigte Werker erreicht somit stets sicher seinen Zielort. 

 

Flottenmanagement steigert Sicherheitsniveau weiter

Dabei transportieren die FTF keine Behälter oder Kartons, sondern ganze Regale und führen diese den zugewiesenen Pick-Stationen zu, wo die zu kommissionierenden Artikel manuell entnommen und in Versandeinheiten übergeben werden – ein Prinzip, das bei stark heterogenen Warengruppen greift. Lange Lauf- respektive Fahrwege gehören damit der Vergangenheit an. Koordiniert werden die Geräte durch das ebenfalls im Projekt »SafeLog« entwickelte Flottenmanagementsystem (FMS). Hierbei handelt es sich um ein mehrdimensionales, großräumiges Planungstool mit integrierter Fehlerbearbeitung (Überwachung, Diagnose und Instandhaltung) sowie einem Lebenszyklusmanagement (Neugestaltung, Flexibilität und Installation). Gleichzeitig übernimmt die Anwendung die jeweilige Aufgabenplanung für die FTF und das Personal.

Das Besondere an dieser Lösung ist die hohe Skalierbarkeit, die angesichts der von den Wissenschaftlern angenommenen Vielzahl im Einsatz befindlicher FTF zwingend gegeben sein muss. »Ferner wird das Flottenmanagement sowohl zentral wie auch dezentral auf den Fahrzeugen implementiert«, erklärt Gupta. »Auf diese Weise kann beurteilt werden, wie sich dezentrale Algorithmen besser für die Auftragsbearbeitung eignen, beziehungsweise welche neuen Aufträge direkt bearbeitet werden sollten.« Im Ergebnis sei so eine zielsichere Routenplanung für verschiedenste Objekte, wie etwa Fahrzeuge und Menschen, möglich. 

 

Datenbrillen vereinfachen Sondereinsätze

Parallel werden die Vorteile von Augmented Reality (AR) genutzt, zum Beispiel im Zuge von Instandsetzungsarbeiten oder auch dann, wenn spezielle Entnahmeaufträge von Mitarbeitern direkt am Regal durchzuführen sind. Über die Datenbrille werden alle relevanten Informationen direkt in das Sichtfeld des Trägers eingeblendet. Dies können Angaben zum Produkt und Lagerort, aber auch Reparaturanweisungen sein. Die Brille fungiert also quasi als eine Art Navigationsgerät und warnt zugleich vor herannahenden FTF. »Damit ein hoher Grad an Interaktion zwischen den Fanzeugen und den Mitarbeitern garantiert werden kann, konzentriert sich das System gleichermaßen auf eine hochpräzise Lokalisierung des Personals, auf das Erkennen von Vorhaben der Mitarbeiter und deren Zielorte sowie auf das menschliche Bewusstsein für mobile Roboter«, so Gupta. 

 

Weichen für die Zukunft sind gestellt

Somit basiert das neu entwickelte Gesamtkonzept auf einem dreischichtigen Sicherheitssystem: Level C sorgt mittels einer dezidierten Routenplanung dafür, dass Kollisionen vermieden werden. Level B warnt sowohl den Menschen als auch die Fahrzeuge vor möglichen Begegnungen, sofern diese durch die in Level C festgeschriebenen Maßnahmen nicht verhindert werden können. Level A schaltet schließlich die FTF komplett aus, wenn unmittelbar Gefahr in Verzug ist.

»Das Projekt SafeLog wird mit der Einführung von fortgeschrittener Bewegungsplanung, wie beispielsweise verschiedenen anpassbaren Methoden der Routenplanung, zu einer Reduzierung von Systemstillständen führen und den Menschen sowie die im Einsatz befindlichen autonomen Fahrzeuge in ein generalisierbares Konzept integrieren. Allgegenwärtige Lokalisierungsmethoden werden somit in Zukunft eine sichere Interaktion zwischen Menschen und Roboter ermöglichen«, fasst Preity Gupta zusammen.

Das Fraunhofer IML ist sowohl an der Entwicklung der Sicherheitsweste als auch des dezentralen Flottenmanagements und der AR-Lösungen beteiligt. Ein erster Demonstrator des Systems wurde Anfang Oktober 2018 auf der Robotik-Konferenz »IROS 2018« in Madrid vorgestellt.

SafeLog

SafeLog

»SafeLog« (Safe human-robot interaction in logistic applications for highly flexible warehouse) ist ein im Jahr 2016 initiiertes Forschungsprojekt im Rahmen des EU-Programms »Horizon 2020«, das bis 2019 mit insgesamt 4,5 Millionen Euro gefördert wird. Beteiligt sind die Industriepartner Swisslog und die Končar Group sowie die Forschungseinrichtungen Karlsruhe Institut für Technologie (KIT), Tschechische Technische Universität, die Universität Zagreb und das Dortmunder Fraunhofer IML.