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Dipl.-Ing. Arnd Bernsmann
Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML
Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2-4
44227 Dortmund
Telefon +49 231 9743-352
Die Logistik rückt immer näher an die Stadt. »Und mit ihr Dinge, die nicht gut in Wohngebiete passen – wie beispielsweise Lärm«, sagt Arnd Bernsmann, Mitarbeiter der Abteilung Verkehrslogistik am Fraunhofer IML. Zwar gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Filialen durch Lärmschutzwände, leiseres Pflaster oder durch einen schalldämpfenden »Überbau« rund um Laderampen leiser zu machen; solange sie aber weiter mit Diesel-Lkw und lautem Equipment beliefert werden, ist das Einhalten der gesetzlichen Lärmgrenzwerte unmöglich. Einfacher wird dies, wenn ein leiserer Elektro-Lkw mit innovativen, besonders geräuscharmen Ladehilfsmitteln kombiniert wird.
»Es gibt schon viele gute Lösungen auf dem Markt, die meisten Betreiber kennen sie nur nicht«, so Daniela Kirsch, Projektleiterin seitens des Fraunhofer IML. »Ein gutes Beispiel für diese Innovationen ist eine Änderung des Warnsignals, welches ertönt, wenn der Lkw rückwärts fährt.« Die heutigen verbauten Modelle der sogenannten »Rückwärtswarner« sind meist um den gesamten Lkw herum zu hören – und das sehr laut. »Dass sie zusätzlich wie Wecker klingen, hilft auch nicht dabei, die Menschen in der Umgebung durchschlafen zu lassen«, so Kirsch. Die bessere Lösung: ein gerichtetes Geräusch, das eher wie ein Rauschen klingt und nur im Gefahrenbereich im hinteren Bereich des Fahrzeugs wahrnehmbar ist. Um zu ermitteln, wie viel leiser die Kombination verschiedener innovativer Maßnahmen ist, führte das Fraunhofer IML gemeinsam mit Partnern wie REWE, TEDi, DOEGO und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI eine erfolgreiche Praxisstudie durch.
Die Testphase lief fünf Wochen lang in Köln. Die Stadt am Rhein hat mit Staus, Feinstaub und Lärm zu kämpfen; erste Fahrverbote drohen ab 2019 in Kraft zu treten. Gerade hier ist die lokal-emissionsfreie und geräuscharme Elektromobilität eine interessante Lösung und ein Ausweichen eines Teils der Lieferungen auf verkehrsarme Nachtzeiten sinnvoll. Weit über die Hälfte aller Lieferungen erfolgt zeitgleich mit dem morgendlichen Berufsverkehr, so dass das Stauaufkommen noch vergrößert wird. Ärgerlich für alle auf dem Weg zur Arbeit und teuer für Logistikdienstleister, da ihre Lkw die meiste Zeit unproduktiv stehen, statt zu fahren. Eine pünktliche Auslieferung von Waren ist so mit hohem Aufwand verbunden.
Eine Verlagerung der Lieferungen in Zeiten außerhalb des Berufsverkehrs verbessert diese Situation zwar, allerdings gelten frühmorgens und am späten Abend die gleichen Lärmschutzregelungen wie in der Nacht. Diese können konventionelle Diesel-Lkw nicht einhalten. Erlaubt sind je nach Gebiet 40 Dezibel in allgemeinen Wohngebieten oder 45 Dezibel in urbanen und Mischgebieten. Das ist ungefähr so laut wie Vogelgezwitscher. Ein Diesel-Lkw verursacht aber um die 80 Dezibel. Gerade in Wohngebieten sind diese Grenzwerte wichtig. »Wir wollen nicht, dass die Menschen in ihren Wohnungen vor Schreck aus dem Bett fallen«, so Bernsmann. »Ein E-Lkw ist erst ab gut 40-50 km/h wegen des Fahrtwindes und der Reifengeräusche zu laut – eine Geschwindigkeit, die in der Anlieferung in der Innenstadt unterschritten wird.« Um mögliche »Krachmacher« zu identifizieren, begleitete ein Lärmgutachter die Lieferungen während der Testphase. In fünf Wochen erfolgten diese an insgesamt drei REWE-Filialen in Köln mit jeweils verschiedener Umgebungssituation.
Bei den ersten Messungen im Vorfeld der Testphase fielen Probleme auf: Der E-Lkw an sich war nicht zu laut, allerdings sein für Bremsen und die Regelung des Niveaus zuständiger Kompressor. Also wurde er gedämmt. Aber auch das Schließen der Ladeklappe sowie das Bewegen der Rollwagen über die Laderampe waren problematisch. Die Ladeklappe bekam somit eine Gummidichtung, ähnlich wie die an einer Bürotür. Die Rollwagen wurden mit leiseren Rädern ausgestattet, wie sie im Krankenhaus üblich sind, denn da soll ja auch nicht die ganze Station aufwachen, wenn ein Bett verschoben wird. Die Laderampe bekam zusätzlich eine Gummimatte, so dass sich die Wagen noch leiser auf ihr bewegen können. »Aber alles steht und fällt mit dem Mitarbeiter«, erläutert Bernsmann. Denn gegen aufgedrehte Radios, unsensibles Aufsetzen der Ladebordwand und versehentliches Hupen helfen keine Gummidichtungen.
Aber wann rechnet sich die Umstellung? Dafür müssen mehrere Faktoren betrachtet werden. Zum einen die laufenden Kosten, für die insbesondere Strom- und Dieselpreise ausschlaggebend sind. Dazu kommt der Anschaffungspreis für einen E-Lkw, der heute noch beim zwei- bis zweieinhalbfachen des Preises für einen Diesel-Lkw liegt. Vor allem die Batterien sind ein Preistreiber. Aktuell ist hier bereits ein Preisverfall zu beobachten, der für die Zukunft weiter prognostiziert wird. Ergebnis der Potenzialanalyse: Betrachtet man all diese Faktoren, dann wird sich der Umstieg ab ungefähr 2022 rechnen. Als die Studie 2017 erstellt wurde, lag der Dieselpreis allerdings deutlich unter dem Niveau von 2018. Der Umstieg auf geräuscharme Elektrologistik wird sich jetzt also schon eher rechnen. »Und mit strengeren Auflagen für Schadstoffausstoß und Lärm in den Innenstädten wird der Elektroantrieb zusätzlich attraktiver«, erläutert Bernsmann.
Bereits jetzt finden einige Komponenten den Weg in die Anwendung: In dem Fraunhofer-IML-Projekt »Leiser Hafen« in Duisburg sind auch die geräuscharmen Rückfahrwarner im Einsatz. Für die Forschung bleibt es also spannend. Innerhalb der Urbanen Logistik am Fraunhofer IML werden die Erkenntnisse weiter vertieft: Daten aus der Studie fließen auch in das Projekt EN-WIN ein (s. Logistik entdecken #18), neue Testphasen und die deutschlandweite Einführung einer Plakette für leise Lieferungen sind zusätzlich angedacht.