Formel 1 auf dem Hallenboden

Eine neue KI-basierte Fahrzeuggeneration bricht sich Bahn: Dank hochverteilter Künstlicher Intelligenz und Kommunikation über 5G ist der »LoadRunner« des Fraunhofer IML ein weltweiter Meilenstein in der Schwarmrobotik – und prädestinierter Schlüssel für die Transformation der Wirtschaft in eine Silicon Economy. Die Fahrzeuge organisieren sich bei hohen Geschwindigkeiten eigenständig im Schwarm und erreichen eine enorme Sortierleistung.

 

Während des Digital-Gipfels 2019 feierte der LoadRunner seine Premiere: Acht kleine Fahrzeuge flitzten vor den Augen von Spitzenpolitik und großen Fernsehanstalten über den Hallenboden und organisierten sich selbst im Fahrzeugschwarm. Komplett autonom nahmen sie Pakete auf und legten sie an der richtigen Stelle wieder ab. »Mit dem LoadRunner haben wir einen zentralen Mosaikstein für die Logistik von morgen entwickelt und setzen einen internationalen Benchmark in puncto autonomer Transportsysteme und Künstlicher Intelligenz. Die Fahrzeuge verfügen über die Beschleunigung eines Sportwagens und dringen in eine ganz neue Leistungsklasse vor. LoadRunner-Schwärme adressieren Bereiche, die bislang der Hochleistungssortier- und -fördertechnik vorbehalten waren. Die WiFi-6- und 5G-basierte Kommunikation, das selbstständige Verhandeln und Buchen von Aufträgen über die Blockchain und die Künstliche Intelligenz an Bord machen den LoadRunner zum Begründer einer neuen KI-basierten Fahrzeuggeneration und zur Blaupause der Logistikbranche auf dem Weg in eine vertikale und in Echtzeit vernetzte digitale Plattformökonomie«, erklärt Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter am Fraunhofer IML. 

Mit dem LoadRunner haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IML eine neue Generation Fahrerloser Transportfahrzeuge (FTF) geschaffen. Hochverteilte Künstliche Intelligenz (KI) und Kommunikation über 5G machen das High-Speed-Fahrzeug zum eindrucksvollen Demonstrator dessen, was in der Silicon Economy alles möglich sein wird. In dieser digitalen Plattformökonomie der Zukunft werden sich Fahrzeugschwärme selbst organisieren und mit Menschen, anderen Schwärmen und Plattformen kommunizieren, um ihre Mission zu erfüllen. Der LoadRunner kann sich hochdynamisch mit bis zu 10 m/s im Schwarm organisieren und sich bei Bedarf sogar für Transportaufträge zusammenkoppeln. Die KI befähigt ihn zudem dazu, selbstständig Aufträge anzunehmen und zu verhandeln. »Die Entwicklung des LoadRunners war aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und der Autonomie des Schwarms sehr komplex. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern erarbeitete viele Neuentwicklungen – zum Beispiel Kameras, die bis zu 400 Bilder pro Sekunde aufnehmen können und die Fahrzeuge so trotz ihrer hohen Geschwindigkeit tracken«, erklärt Moritz Roidl, Oberingenieur am Lehrstuhl für Förderund Lagerwesen der TU Dortmund, der an dem Projekt beteiligt ist.

Die Entwicklung des LoadRunners wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert – als Vorprojekt zum Großprojekt »Silicon Economy Logistics Ecosystem«, mit dem das Fraunhofer IML der Silicon Economy zum Durchbruch verhelfen soll. Mit seiner Dynamik und seinem omnidirektionalen Fahrwerk ist das Fahrzeug perfekt an Sortierprozesse in Paketnetzwerken angepasst. Die Lastabgabe erfolgt ohne zusätzliche Aktorik ausschließlich mittels Trägheit, die beim Abbremsen entsteht. Als einzelnes Fahrzeug kann der LoadRunner Pakete bis zu einer bestimmten Größe und bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm allein transportieren und sortieren. Somit lässt er sich z. B. auch für den Transport und die Sortierung von Gepäckstücken an Flughäfen einsetzen. Im Verbund können mehrere Fahrzeuge durch Kopplung auch große und sperrige Teile bewegen. Dabei kann jeder LoadRunner zusätzlich bis zu vier passive Anhänger ankoppeln und transportieren.

 

Bessere Sortierleistung

Um den LoadRunner zu entwickeln und seine Sortierleistung zu verbessern, testeten die Wissenschaftler des Fraunhofer IML unterschiedliche virtuelle Szenarien. Verschiedene Aspekte des Fahrzeugsystems sowie der gesamte Schwarm wurden digital modelliert und in verschiedenen Komplexitäten simuliert. Dafür nutzten sie eine Echtzeit-Entwicklungsplattform für 3D-Simulationen. Diese lässt sich nicht nur zur Simulation verwenden, sondern bietet auch eine dynamische Darstellung des Systemverhaltens in Echtzeit. So können die Forscher riskante und komplexe Manöver ohne Risiko im Schwarmsystem entwickeln und testen.
Diese Umgebung lässt sich außerdem skalieren, um die Leistung großer Systeme zu bestimmen. Zu diesem Zweck simulierten die Wissenschaftler ein typisches Sortiersystem, das eine Kapazität von rund 13 000 Bestellungen pro Stunde erreicht. Sie bildeten eine Sortierung mit einer unterschiedlichen Anzahl an LoadRunnern und verschiedenen Beschleunigungswerten (4 m/s² bzw. 5m/s²) ab. Zusätzlich beachteten sie Faktoren wie die Lokalisierung der Fahrzeuge oder die Kollisionsvermeidung. »Wir konnten herausfinden, dass mit 60 LoadRunnern eine mit einem klassischen Sortiersystem vergleichbare Leistung erzielt werden kann. Bei mehr Fahrzeugen und einer etwas höheren Beschleunigung können wir die Leistung deutlich steigern«, sagt Roidl. Im Gegensatz zu einem klassischen Sortiersystem benötigt der LoadRunner jedoch wesentlich weniger fest installierte Infrastruktur und bietet eine deutlich schnellere Inbetriebnahme und höhere Skalierbarkeit.

Um das Potenzial der LoadRunner-Technologie voll auszuschöpfen, ist eine offene digitale Infrastruktur wie die Silicon Economy nötig, in der die Fahrzeuge über 5G sicher kommunizieren und mittels Blockchain eigenständig Pay-per-Use-Verträge abschließen können. Auch an diesen Voraussetzungen arbeitet das Fraunhofer IML im Rahmen des Silicon-Economy-Großprojekts bereits mit Hochdruck. 

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