Gesichtsvisiere Do-It-Yourself – Ein Fall für den 3D-Drucker

Verschwundene Maskenlieferungen, ausverkaufte Schutzkleidung und Lieferengpässe: Zu Beginn der Corona-Krise wuchs rasch die Sorge, ob und wie schnell sich medizinische Schutzausrüstung besorgen lässt. Während Privatpersonen den obligatorischen Mund-Nasen-Schutz für den Eigenbedarf oftmals selbst herstellen können, ist das Personal im medizinischen Bereich auf deutlich höhere Standards angewiesen und muss die Ausrüstung täglich auch viel länger tragen. Zudem sind die benötigten Mengen in diesem Bereich wesentlich höher. Doch wer sagt, dass sich nicht auch die medizinische Ausrüstung selbst herstellen lässt?

 

In der akuten Phase der Corona-Krise im März 2020 wurden in der Lungenklinik der Essener Universitätsklinik die Schutzmasken knapp. Vor allem Ärzte und Pflegepersonal benötigen für ihre Arbeit dringend Visiere, die das gesamte Gesicht bedecken, um sich vor dem Virus zu schützen. Die Lösung: Schutzmasken aus dem 3D-Drucker. Das Fraunhofer IML fertigte gemeinsam mit Forschern der FH Dortmund und einigen Makern, die neue Dinge für den kleinen Bedarf herstellen, rund 2.000 der sogenannten Medical Shields an.

 

Gewusst wie! 

Um möglichst viele Masken auf einmal zu drucken, haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IML die Herstellung, der für die Medical Shields notwendigen Stirnbänder, optimiert. »Die Grundlage war eine OpenSource-Datei des Druckerherstellers Prusa«, erklärt Mathias Rotgeri, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Maschinen und Anlagen. »Doch die ursprüngliche Datei war auf kleinere 3D-Drucker ausgelegt und nutzte den deutlich größeren Bauraum unseres Druckers nicht komplett aus.« Doch auch hierfür fanden die Wissenschaftler eine Lösung.

Statt die Bänder gekrümmt zu produzieren, brachten sie den flexiblen Kunststoff erst nach dem Druck in Form. Dadurch konnten auf dem 3D-Drucker des Instituts innerhalb eines Druckjobs 500 statt wie zuvor knapp 60 Stirnbänder gedruckt werden. Durch die Leichtigkeit der Stirnbänder mit einem Gewicht von lediglich 24 Gramm und die Flexibilität und weiche Oberfläche des Materials sind die Visiere angenehm zu tragen. Das ist gerade bei längerer Nutzung – wie im medizinischen Bereich – ein wichtiger Faktor.

Die Forscher des Fraunhofer IML nutzen Selektives Laser-Sintern (SLS) – eine von vielen Möglichkeiten der additiven Fertigung. Beim Selektiven Laser-Sintern wird schichtweise Pulver auf eine Plattform aufgebracht, das an den gewünschten Stellen mithilfe eines Lasers erhitzt wird und so durch Sintern miteinander verschmolzen wird. Sobald in einer Schicht alle erforderlichen Stellen gesintert wurden, wird die Plattform leicht abgesenkt, sodass eine neue Pulverschicht aufgebracht werden kann. Dazu ist ein schichtweiser Bauplan des gewünschten Produktes notwendig, anhand dessen der Laser arbeiten kann.

Kostenloser Download des Bauplans

Der 3D-Drucker Eosint P395 des Unternehmens EOS wird am Fraunhofer IML hauptsächlich in der Fertigung von Prototypen Fahrerloser Transportfahrzeuge, bei der Herstellung von Gehäusen für Platinen sowie zur Herstellung von Messeexponaten verwendet. Die Vorteile des Verfahrens sind eine hohe Genauigkeit und große Freiheiten in der geometrischen Gestaltung der Bauteile, da keine Stützstrukturen benötigt werden.

Das Institut stellte den optimierten Bauplan umgehend auf seiner Website digital zum Download zur Verfügung (www.iml.fraunhofer.de/de/medical-shield-3ddruck.html). So können alle Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die über 3D-Drucker mit Lasersinter-Verfahren verfügen und helfen möchten, ihren Bauraum optimal nutzen. »Wir richten uns bewusst an die Inhaber größerer Drucker, die schneller größere Mengen produzieren können«, ergänzt Christian Prasse, Leiter strategische Entwicklung am Fraunhofer IML. Das Fraunhofer IML liefert die hergestellten Teile nach dem Druck sofort aus, um eine schnelle Versorgung zu gewährleisten. Dabei fokussiert sich das Institut auf den lokalen Bedarf.

 

Folien statt Plexiglas

Die Wissenschaftler forschten außerdem an alternativen Herstellungsmethoden. Da Plexiglas zu Beginn der Corona-Krise knapp wurde, untersuchten sie die Verwendung von Laminierfolien für die Gesichtsvisiere. Diese kann in zwei Schichten aufeinander laminiert werden. Damit bleibt die Scheibe leicht und kann mit dem Laser geschnitten werden. Auch für den Fall eines Engpasses beim Druckpulver wurde vorgesorgt: Die Forscher beschäftigten sich mit der Möglichkeit von Druckjobs unter Verwendung von Altpulver. Dieses fällt bei jedem Druck an und kann wiederverwendet werden. Glücklicherweise beruhigte sich die Lage am Klinikum jedoch bereits wieder, ehe diese Maßnahmen tatsächlich notwendig wurden. Im Falle einer erneuten Versorgungsknappheit wäre das Fraunhofer IML in der Lage, etwa tausend Stirnbänder pro Woche zu produzieren.

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