Justiziable Rechtsfragen im Stresstest
Nach Aufbereitung der simulierten Anwendungsfälle stand auf Seiten der Juristen die Entwicklung von Musterverträgen im Fokus. Parallel haben IT-Sicherheitsforscher 2020 Risikoanalysen durchgeführt, und das Team des Fraunhofer IML konzentrierte sich auf die Implementierung des Recht-Testbeds. Im Mittelpunkt der Betrachtung stand auch die Distributed-LedgerTechnologie, die als Unterbau dient. Zwei Varianten der Blockchain wurden in die engere Wahl gezogen und unter Berücksichtigung der Anforderungen des Recht-Testbeds vergleichend gegenübergestellt. Eine endgültige Entscheidung, die die Forscher in enger Abstimmung treffen, steht noch aus.
Die Arbeit der selbstorganisierenden Teams ist von einer iterativen und inkrementellen Vorgehensweise geprägt. »Die technische Implementierung des RechtTestbeds gehen wir agil an. Dabei agieren wir Schritt für Schritt in sogenannten Sprints, bei denen wir stets neu hinzulernen«, sagt Reinhardt. »Hochspannend für uns primär technisch Versierte ist die Fülle der zu berücksichtigenden rechtlichen Kriterien. So ist es zum Beispiel notwendig, abzugrenzen, wann es sich noch um einen Verhandlungsprozess handelt und an welchem Punkt eine Einigung stattfindet, die in einem Vertragsschluss mündet.«
Sukzessiver Verstetigungsprozess
Erste Hinweise, wie das Recht-Testbed funktionieren kann, vermittelt ein Demonstrator (Sawyer-Roboter). Dieser wurde primär für Präsenzveranstaltungen entwickelt. Pandemiebedingt ist zudem eine virtuelle Web-Applikation auf der Projektwebseite verfügbar (https://demonstrator.legaltestbed.org), über die sich ein Verhandlungsprozess durchspielen lässt. Vorstellbar wäre ein zu treffendes Agreement mit einem Logistikdienstleister, der den Auftrag erhalten soll, ein dringend benötigtes Bauteil zuzustellen. Eine etwaige Expresslieferung und weitere Parameter könnten die zugrunde liegenden Vertragsbedingungen verändern.
Weitere Aspekte, die über Termin- und Preisabstimmungen hinausgehen, sind im Demonstrator nicht berücksichtigt. Vielmehr dient er rein zur Visualisierung allgemeiner Fragestellungen. »Diese abgespeckte Version vermittelt zwar erste Eindrücke, kann jedoch die Arbeit, die wir hier leisten, noch nicht im Detail erklären«, unterstreicht Reinhardt. Gerade die juristischen Facetten seien zu komplex, um sie darin abzubilden. Auch die Szenarien in den Use Cases gestalten sich wesentlich umfangreicher.
Gleichwohl handelt es sich bei dem Demonstrator um einen wichtigen Meilenstein, der auch das öffentliche Interesse am Recht-Testbed bedient. Indes geht die Arbeit der Wissenschaftler weiter. Bis Ende 2022 sind die Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen für neue rechtliche Standards sowie die Präsentation der Pilotanwendung vorgesehen. Verfolgt wird ein offenes »Repository«, das Unternehmen Zugang zu technischen und juristischen Fachkonzepten bietet, die auf ihre Eignung hin getestet werden können. Gleichzeitig sollen auf Smart Contracts basierende Musterverträge, exemplarische AGB, Apps und API’s sowie (Basis-)Connectoren des Industrial Data Space abrufbar sein.