Strukturierter Planen per Machine Learning

Speditionen stehen kontinuierlich vor der Herausforderung, Kapazitäten über Monate im Voraus verplanen zu müssen. Keine leichte Aufgabe! Denn unvorhersehbare Einflüsse machen manche Einschätzung zunichte. Im »Dachser Enterprise Lab« untersuchten Wissenschaftler des Fraunhofer IML daher, wie sich vorhandene Ressourcen mit Unterstützung selbstlernender Programme exakter disponieren lassen. Stichwort: Machine Learning (ML).

 

80,6 Millionen Sendungen mit einem Gewicht von 41,0 Millionen Tonnen transportierte Dachser im vergangenen Jahr. Damit ist das Kemptener Unternehmen einer der führenden Logistikdienstleister. Um Laderaumkapazitäten organisieren zu können, müssen die Disponenten bei Dachser – ähnlich wie andere Speditionen – rund sechs Monate im Voraus kalkulieren, welche Kapazitäten voraussichtlich bereitzustellen sind. Unter Berücksichtigung des in den Eingangshäusern erwarteten Sendungsvolumens werden Stellplätze, Mitarbeiter oder Fahrzeuge verplant. Doch dieses Aufkommen ist großen Schwankungen unterworfen. In der Folge schleichen sich Ungenauigkeiten in die Bedarfsplanung ein, die im Nachgang mitunter aufwändig und kostenintensiv zu korrigieren sind.

Mit diesem Problem haben sich Wissenschaftler des Fraunhofer IML gemeinsam mit Logistikexperten von Dachser im Enterprise Lab auseinandergesetzt. Das »Dachser Enterprise Lab« wurde 2017 mit der Intention gegründet, im Rahmen konkreter Forschungs- und Entwicklungsaufträge zukunftsweisende Technologien für den flächendeckenden Einsatz in der Praxis zu entwickeln. Der flexible Zugriff auf spezialisiertes Wissen sowie die vorhandene Infrastruktur am Fraunhofer IML sollten in Kombination mit eigenem Know-how dazu beitragen, die Innovationsgeschwindigkeit von Dachser weiter zu erhöhen.

Automatisiert generierte Prognosen

»Im aktuellen Fall bestand die Aufgabe darin, eine Lösung zu finden, wie sich die in den Eingangshäusern erwarteten Mengen bei gleichzeitiger Entlastung der Mitarbeiter fundierter abschätzen lassen«, sagt Martin Friedrich, Senior Scientist in der Abteilung Verkehrslogistik am Fraunhofer IML. Den größten Erfolg versprachen Modelle, die mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz Wirkungszusammenhänge erkennen, die automatisiert in die Planung einfließen. In diesem Kontext galt es zunächst, alle relevanten Datenquellen zu identifizieren.

„Wir haben sowohl interne, historische Daten zu den Mengenverläufen ausgewertet, als auch externe Daten wie Ferien- und Feiertagskalender oder Indikatoren, die die zukünftige Lage der Wirtschaft prognostizieren“, so Martin Friedrich weiter. In einem nächsten Schritt überprüften die Forscher, inwieweit sich diese Kriterien auf steigende oder sinkende Volumina auswirken. Jene Daten, die den größten Einfluss auf die Vorhersage hatten, verankerte das Team schließlich in einem Machine-Learning-Modell. Dort suchen Algorithmen in einer großen Menge von Trainingsdaten eigenständig nach Mustern und wenden diese stetig auf neue Datensätze an. Resultat dieses »Predictive Analytics«-Ansatzes sind mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugte Prognosen, die das zukünftige Mengenaufkommen deutlich präziser darstellen.

 

Testläufe bestätigen die Qualifikation

Dieses Modell wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten in mehreren Dachser-Niederlassungen getestet. Dabei erzielten die vor Ort anwesenden Forscher gute Ergebnisse: Die Erprobungsläufe zeigten, dass das Programm die Planungssituation deutlich verbessern konnte. Nach durchgängiger Implementierung wird es möglich sein, die Kapazitätsplanung zukünftig in allen Eingangshäusern des Logistikdienstleisters automatisiert zu unterstützen.

In Summe beanspruchte die Entwicklung des KI-getriebenen Programms ein Zeitfenster von knapp zwei Jahren. Ein derartiger Aufwand ist vermutlich ab sofort nicht mehr erforderlich. Dazu Martin Friedrich: »Die Kapazitätsplanung mittels maschinellen Lernens ist noch ein ziemlich neuer Bereich. Wir mussten zunächst Erfahrungen sammeln und ausprobieren, welcher Algorithmus die zuverlässigsten Ergebnisse liefert. Nun könnten wir ähnliche Projekte wahrscheinlich deutlich schneller umsetzen.«

Zufrieden mit dem kollaborativ Erreichten zeigt sich Stefan Hohm, Corporate Director, Corporate Solutions, Research & Development bei Dachser: »Beim Machine Learning steht die Logistik sicherlich noch ganz am Anfang. Das Fraunhofer IML erlaubt uns, diese neuen Verfahren basierend auf höherer Mathematik und Informatik schnell zu erlernen und in Innovationen zu überführen.«

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