Mit Künstlicher Intelligenz auf Schädlingsfang

Wenn es um Mäuse und Ratten geht, scheiden sich die Geister. Einig werden sich die Lager allerdings, wenn es um Schädlinge in der Lebensmittelindustrie geht, denn hier haben die felligen Tierchen definitiv nichts zu suchen. Um die Bekämpfung von Schädlingen zu erleichtern, hat das Fraunhofer IML zusammen mit der Futura GmbH eine »Überwachungskamera« für Schädlingsfallen entwickelt, die einmal am Tag Bilder an eine Cloud sendet – und das Ergebnis ist alles andere als »zum Mäusemelken«

 

Die Überwachungskamera ist nicht größer als eine Zigarettenschachtel und von außen eher unscheinbar. Leon Siebel-Achenbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML, hat die Überwachungskamera für die intelligente Schädlingsfalle mit seinem Team entwickelt. Zielsetzung war es, die Hygienestandards in der Lebens - mittelindustrie wie in Großbäckereien oder Supermärkten nachhaltig zu verbessern und gleichzeitig den hier geltenden Gesetzesvorgaben Rechnung zu tragen – denn jede Schädlingsfalle muss täglich kontrolliert werden.

Schädlingsbekämpfung human und effizient

Die Futura GmbH hat sich als Hersteller und weltweiter Vertreiber von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf die Fahne geschrieben, gegen Schädlinge so human wie möglich vorzugehen. Da die Schädlingsfallen oftmals an unzugänglichen Orten wie unter Maschinen und Regalen platziert werden, ist die Überprüfung der Fallen oft beschwerlich. »Diese lästige und äußerst unangenehme Aufgabe wird sicher gerne mal unterlassen«, so SiebelAchenbach. »Um Betriebe bei dieser Aufgabe zu unterstützen, ist Futura auf uns zugekommen, um mit uns zusammen eine Kamera zu entwickeln, die die Zustände der Fallen erfasst.«

Die zu entwickelnde Kamera sollte einerseits robust und langlebig sein und so energieeffizient wie möglich arbeiten – ihre Herstellung andererseits möglichst kostengünstig sein. Eine Aufgabenstellung, vor die sich das Fraunhofer IML nicht zum ersten Mal gestellt sah. Denn in den letzten Jahren sammelten die Dortmunder Wissenschaftler im Bereich der Low-cost Devices und Ultra Low Energy bereits fundierte Erfahrungen mit ähnlichen Entwicklungen für logistische Anwendungen, wie beispielweise dem IoT Service Button, ein Push-Button mit Display zum Auslösen von Bestellprozessen, der Low Cost Tracker »Pille«, mit dem Waren und Gegenstände mit NarrowBand IoT (NB-IoT) und Wifi-Sniffing getrackt werden können sowie mit ITCPro, dem Rhenus-Füllstandsensor zur Leerung von Behältern. 

Hohe Hygienestandards per Algorithmus

Der entwickelte Algorithmus der Kamera ist so konzipiert, dass das Kamerabild auf Ultra-Low-Power-Basis mit niedrigsten Kosten via NB-IoT an eine Cloud oder ein ähnliches Backend gesendet wird. Bis zu 3.000 Bilder kann die 5G-kompatible Kamera mit einem Satz Batterien schießen und versenden. Ein KI-Algorithmus wertet die Fotos selbstständig aus. Dafür wird ein neuronales Netz auf den spezifischen Anwendungsfall angelernt. Dies garantiert, dass die Kamera nur auf Veränderungen in Objekten reagiert. Abhängig vom Anwendungsfall bietet die Technologie die Möglichkeit, die Parameter eines Prozesses remote – also über das Backend – zu konfigurieren. »Im Rahmen der Remotekonfiguration kann beispielsweise die Belichtungszeit eingestellt werden, so dass wir qualitativ hochwertige Tag- und Nachtaufnahmen machen können. Der Nah- und Fernbereich kann über unterschiedliche Objektive abgedeckt werden«, erläutert Siebel-Achenbach. Die Kamera lässt sich auch im Außenbereich einsetzen. Je nach Anwendung ist zudem eine wechselseitige Montage möglich, d. h. die Kamera kann in ihrem Halter umgedreht werden und dann Fotos aus einer anderen Perspektive schießen. Zudem nutzt NBIoT die LTE-Sicherheitsmechanismen nach 3GPP. Somit ist Cybersicherheit garantiert. 

 

Vielfältiges Einsatzspektrum

Mit der Schädlingsfalle, die jetzt in den Feldversuch geht, hat alles angefangen. Es eröffnen sich aber auch für andere Industrien profitable Einsatzmöglichkeiten. Mit der NB-IoT-Kamera gehören alle manuellen Prozesse, um Objekte zu überprüfen, der Vergangenheit an. »Wir können damit Briefkästen in abgelegenen ländlichen Regionen kontrollieren. Diese werden häufig umsonst angefahren, da es ja sein könnte, dass ein Brief eingeworfen worden ist«, so Siebel-Achenbach. Da die NB-IoT-Technologie ebenfalls GEO-Tracking enthält, lässt sich der Standort der Kamera – und so auch des Objekts, das die Kamera überwacht – bestimmen. Die smarte Kamera könnte sich zudem in der Füllstanddetektion bei Schüttgut-, Getreideoder Futtersilos oder generell bei körnigen Schüttgüter oder Pulvern als Ergänzung zur Entwicklung des ITCPro bewähren. Bei der Lagerung dieser Güter ist keine ho - mogene Verteilung möglich. Mit der Kamera wäre eine Fernüberwachung des Füllstands denkbar. Bei zu niedrigem Füllstand ließe sich automatisch die Nachbestellung auslösen und die Logistik optimieren. Außerdem ließen sich Getreide oder andere landwirtschaftliche Produkte auf Schädlingsbefall oder Fäulnis überwachen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit wäre die Bewachung von Objekten, um Diebstahl oder Vandalismus Einhalt zu gebieten.

 

Silicon Economy: Aus der Maus wird ein Elefant

All diese Anwendungsmöglichkeiten zeigen, dass das Team nicht nur in Mäuse-Dimensionen denkt, sondern gleich einen Schritt weiter geht. Mit der Kamera machen Futura und Fraunhofer eine weitere Technologie des Internets der Dinge massentauglich. Gleichzeitig demonstrieren die Ergebnisse des Projekts, wie KI in der Silicon Economy in verschiedenste Prozesse Einzug hält und so vom Fahrzeug über das Regalfach bis zur Schädlingsfalle selbst einfachste Dinge erfasst. Die intelligente Ultra-LowPower-Bildverarbeitung und -auswertung ist dabei der nächste entscheidende Schritt.

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