Die Bedienung des KI-ETA-Programms ist unkompliziert: Zunächst tragen Unternehmen auf einer Karte den Start- und Zielpunkt der Strecke ein, die beispielsweise ein Lkw fahren soll. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz berechnet das Programm anschließend, wann das Fahrzeug am Ziel ankommt. Für die Analyse bezieht die KI-ETA (Estimated Time of Arrival, deutsch: geschätzte Ankunftszeit) unter anderem Wetter-, Stau- oder Unfalldaten mit ein. So können Unternehmen ihren Kunden verlässlichere Ankunftszeiten nennen und ihre eigene Planung effizienter gestalten. Das Projekt läuft seit Herbst 2020 im Rahmen des Großprojekts »Silicon Economy«. Bei der Implementierung mussten die Wissenschaftler schrittweise vorgehen: Die erste entwickelte Komponente war ein frei verfügbarer Online-Kartendienst. Als Grundlage nutzten sie OpenStreetMap, das frei nutzbare Geodaten sammelt und in einer Datenbank strukturiert.
Die zweite Komponente ist der sogenannte Geo-Coding-Service: »Wenn ich einen Start- und einen Zielpunkt eingebe, können wir daraus Geokoordinaten erzeugen, die anschließend auf der Karte dargestellt werden«, erklärt Alex Rotgang, Product Owner »KI-basierter ETA-Service« am Fraunhofer IML. Durch die dritte Komponente, den Routenservice, wird schließlich die Route dargestellt. Um die Ankunftszeit möglichst genau zu berechnen, unterteilt die Software die Route in kleinste Bestandteile. Für eine genauere Prognose der Ankunftszeit wird der MobilitätsDatenMarktplatz (MDM) eingebunden. Auf dieser öffentlich zugänglichen Plattform stellen heute schon mehr als 500 Anbieter aus dem öffentlichen Bereich und der Privatwirtschaft Mobilitätsdaten aus Deutschland ein. So können die Wissenschaftler sehen, welche Geschwindigkeiten an bestimmten Zeiten und Orten herrschen. »Die Daten für Nordrhein-Westfalen liegen uns bereits vor und werden in den Dienst eingebunden «, erklärt Alex Rotgang.
Eine weitere entwickelte Basiskomponente ist der Wetterservice, den die Forscher in die ETA-Berechnung einfließen lassen. Er zeigt historische und aktuelle Daten sowie zukünftige Wetterprognosen an. »All diese Daten legen wir dann der KI vor. Sie lernt damit und kann dann genaue Ankunftszeiten prognostizieren«, sagt Alex Rotgang. »Die Datenquellen stehen bereits jedem zur Verfügung. Das Besondere ist, dass wir sie mithilfe der verschiedenen Basiskomponenten nutzbar machen.«
Aktuell arbeiten die Wissenschaftler daran, auch multimodale Transporte abzubilden. Damit sind Transporte gemeint, die auf unterschiedlichen Verkehrsträgern (Schiff, Bahn, Lkw oder Flugzeug) stattfinden. Sie binden dafür Terminals ein, an denen der sogenannte Kombinierte Verkehr stattfindet. Außerdem werden die typischen Dauern von Umschlagstätigkeiten mit einberechnet.
Die Wissenschaftler suchen zusätzlich nach weiteren Industriepartnern, die sich als Pilotkunden engagieren möchten: »Wir würden uns freuen, wenn Unternehmen mit uns zusammenarbeiten und das Programm testen würden«, erklärt Rotgang. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitieren davon, dass sie den Dienst direkt in ihre eigene Software einbinden können und keine eigenen Entwicklungen nötig sind. Doch auch für größere Unternehmen ergeben sich Vorteile: Bei KIETA bleiben alle Mobilitäts- und Standortdaten bei dem Unternehmen, das dadurch die Datensouveränität behält. Möglich macht dies eine Software, die im Rahmen der Initiative »International Data Spaces«, einem der Netzwerkpartner der Silicon Economy, entwickelt wurde. Über den sogenannten »IDS-Connector« können Unternehmen selbst entscheiden, welche Daten sie mit wem teilen wollen. Alternativ können Firmen auch den gesamten Programmcode der KI-ETA in ihr eigenes Transportmanagementsystem integrieren.
»Mit dem Dienst soll eine vollständige Transparenz über das Transportangebot der unterschiedlichen Verkehrsträger auf dem Markt geschaffen werden. Das ist heute längst noch keine Selbstverständlichkeit«, sagt Alex Rotgang. Möglich mache diese Transparenz die Silicon Economy. »Das Besondere an der Silicon Economy ist, dass die Projekte open source zur Verfügung stehen und alles mit allem vernetzt sein kann«, erklärt er. So haben andere Projekte des Großprojekts zum Beispiel bereits Komponenten wie die Karte oder den Wetterservice in ihre eigenen Projekte eingebaut.