Durch die Globalisierung werden Binnen- und Seehäfen zu wichtigen Logistik-Knotenpunkten für die Wirtschaft. Die Digitalisierung von Prozessen stellt viele Betreiber vor Herausforderungen – doch nur so können Häfen auch in Zukunft Abläufe effizient gestalten und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Besonders Binnenhäfen, die oft in dicht besiedelten Gebieten liegen, profitieren davon, wenn CO2- und Lärmemissionen reduziert werden. Wissenschaftler des Fraunhofer IML forschen deshalb aktuell in drei Projekten daran, Häfen durch IoT-Anwendungen, Augmented Reality oder automatisierte Umschlagterminals zu digitalisieren.
In dem Forschungsprojekt »I²PANEMA« (Intelligent IoT-based Port Artefacts Communication, Administration & Maintenance) sollen Prozesse in Binnen- und Seehäfen durch neue IT-Strategien wie Internet of Things (IoT) digitalisiert werden. Dafür entwickeln die Forscher Demonstratoren an verschiedenen Häfen, die zeigen, wie die IoT-Konzepte auf Prozesse vor Ort übertragen werden können. Ein Bereich ist die Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf Schiene und Wasserstraße durch Prozessverbesserungen und den Einsatz von IoT-Lösungen. An den jeweiligen Terminals kann es zu Staus und fehlenden Parkmöglichkeiten kommen. Dieses Problem tritt zum Beispiel im Dortmunder Hafen auf, der in der Innenstadt liegt. Im Rahmen des »I²PANEMA«-Projekts werden die Lkw, die zu den Terminals fahren, in einer Anwendung getrackt. Auf Basis von IoT-Geräten und Kameraerkennung wird die Verkehrs-, Parkplatz- und Werkstorsituation ausgewertet, sodass die Fahrzeuge pünktlich ankommen.
Weitere Anwendungsszenarien von »I²PANEMA« sind eine automatische Geräuscherkennung und -reduzierung bei der Be- und Entladung von Containern, Einsatz von Sensoren zur Reduzierung von Emissionen durch intelligente Steuerung von Prozessen sowie Bildschirme an Fähr-Terminals, die in Echtzeit anzeigen, wann die Schiffe ablegen. Die Forscher entwarfen für das Projekt außerdem eine Referenzarchitektur zur Einbindung von IoT-Devices in Seeund Binnenhäfen. Sie unterstützt die Implementierung von IoTbasierten Programmen in den Häfen.
Die Digitalisierung führt bei allen Beteiligten des Projekts zu Informationsgewinnen und dadurch zu neuen Optimierungspotenzialen: »Neben der Effizienzsteigerung der Prozesse haben wir außerdem das Ziel, eine Transformation zu einem nachhaltigen Hafen mit geringem Emissionsausstoß und einem kooperativen Zusammenleben mit der Bevölkerung zu gestalten«, sagt Achim Klukas, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML.
Orte: Häfen Dortmund, Nürnberg, Wesel, Gijón, Hamburg, Assan, Safi
Projektlaufzeit: Juni 2019 bis Ende 2021
Projektpartner: 17 Unternehmen aus Deutschland, Spanien und der Türkei
Gefördert durch: Türkische Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung (Türkei), Bundesministerium für Bildung und Forschung (Deutschland), Zentrum für die Entwicklung der Industrietechnologie (Spanien) im Rahmen von ITEA.
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, Arbeitsprozesse in Binnen- und Seehäfen digitaler zu gestalten. Mehr Informationen können bereitgestellt werden, die von den Mitarbeitern verarbeitet werden müssen. Gleichzeitig fehlen diese Informationen noch in anderen Arbeitsschritten, die durch eine Digitalisierung effizienter gestaltet werden können. Mit dem Projekt »InnoPortAR« wollen Wissenschaftler des Fraunhofer IML dieses Problem lösen. Dafür nutzen sie die Augmented-Reality-Technologie (AR), bei der auf einer Brille oder einem Display zusätzliche Informationen virtuell angezeigt werden. So werden beispielsweise bei Wartungsarbeiten die nächsten Schritte im Sichtfeld eingeblendet. Die Arbeitsabläufe in den Häfen werden dadurch unterstützt und optimiert.
Dafür testen die Wissenschaftler die AR-Brillen und -Tablets in vier Anwendungsszenarien: Wartung und Instandhaltung eines Portalkrans, Kranführerunterstützung beim Löschen des Schiffs, Ladungssicherung sowie Schnittstellenkontrolle beim Containerumschlag im trimodalen Terminal.
Diese sind sowohl an den Schienen- als auch an den Straßenverkehr oder das Schiff angebunden. »Die Anwendungsfälle zeigen, wie viele Einsatzmöglichkeiten es für die Technologie am Hafen gibt«, sagt Achim Klukas. »Außerdem soll das Projekt dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit trimodaler Terminals in Binnen- und Seehäfen zu verbessern.«
Ort: Hafen Duisburg und Dortmund
Laufzeit: Oktober 2019 - September 2021
Projektpartner: Duisburger Hafen, Materna, Materna TMT
Assoziierte Partner: Container Terminal Dortmund, Haeger&Schmidt, Eurogate
Gefördert durch: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Der Kombinierte Verkehr gilt als umweltfreundlichere Alternative zum Straßenverkehr. Dabei werden die Transporte vom Lkw auf die Bahn und Binnenschiffe verlagert. Dieser Übergang findet an den Häfen am sogenannten Umschlagterminal statt. »Die Prozesse werden dort häufig manuell ausgeführt, was zu Verzögerungen oder ineffizienter Ressourcennutzung führen kann«, erklärt Achim Klukas. Um die Zuverlässigkeit und die Effizienz des Kombinierten Verkehrs zu erhöhen, untersuchen die Forscher des Fraunhofer IML, wie eine durchgängige Automatisierung des Umschlagterminals gelingen kann.
Die Wissenschaftler automatisieren einen Portalkran: Dafür entwickelten sie eine geeignete Steuerungssoftware und integrieren Hardwarekomponenten wie Kameras und Sensoren. Der automatisierte Betrieb wird anschließend etwa ein halbes Jahr prototypisch getestet. Außerdem erstellen die Forscher eine Roadmap, die eine mögliche, durchgängige Automatisierung des Umschlagterminals beschreibt.
Ort: Hafen Wörth
Projektlaufzeit: März 2019 - Februar 2022
Projektpartner: Contargo, synyx
Gefördert durch: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Weitere Projekte zum digitalen Zwilling in Binnenhäfen, Vernetzung von Akteuren durch Plattformen sowie zur Lärmreduzierung sind in Vorbereitung.
Die Projekte haben den gemeinsamen Hintergrund der Digitalisierung und der Zielsetzung einer nachhaltigen und verbesserten Logistik. Durch Implementierung von IoT-Konzepten entlang der Transportkette werden Daten zwischen Prozessen bzw. Prozessbeteiligten besser austauschfähig und interpretierbar. Einerseits brauchen wir dazu Standards für die Schnittstellen, andererseits müssen die Lösungen flexibel den Anforderungen anpassbar sein. Die Erkenntnisse, die wir hier gewinnen, können auch für andere Logistikbereiche von großem Nutzen sein.
Welche IoT-Anwendungen (aus dem I2PANEMAProjekt) könnten sich an vielen Häfen durchsetzen?
Verbesserte jeweils aktuelle Prognosen für Transportund Umschlagzeiten sind für viele Bereiche der Logistik, aber insbesondere Häfen bzw. allgemein Anlagen des Kombinierten Verkehrs, ein wichtiges Element für verbesserte Effizienz und Zuverlässigkeit gegenüber Kunden. Eine andere Anwendung, bei der ich großes Interesse auch an anderer Stelle erwarte, sind Smart Devices, die durch ihre Erfassungs- und Dokumentationsfähigkeiten die Einhaltung von Sicherheits- und Umweltvorschriften an Bord effizient unterstützen.
Was muss passieren, damit mehr Transporte über den umweltfreundlicheren Kombinierten Verkehr abgewickelt werden?
Der Kombinierte Verkehr hat in den letzten Dekaden schon an Bedeutung gewonnen, aber es ist noch viel mehr möglich. Dafür gibt es infrastrukturelle Voraussetzungen sowie betriebliche und IT-Voraussetzungen. Geplante Bauprojekte etwa im Schienennetz müssen
»kapazitätsschonend« umgesetzt werden. Daneben sind aktuelle Daten für effizienteren Terminalbetrieb und auch schon für die Verkehrsmittelwahlentscheidung wichtig. Zuverlässige Transport- und Umschlagzeiten sowie erhöhte Logistikfähigkeit durch transportvorauseilende und -begleitende Daten gehören ebenso zu den Erfolgsfaktoren für den Kombinierten Verkehr.