Erste Bilanz in der Silicon Economy
»Die Silicon Economy ist die beste Idee, die es seit Jahrzehnten gibt. Hat man erst einmal verstanden, worum es geht, ist es bestechend einfach: Wir können Millionen Euro mit der Digitalisierung von Commodities versenken oder wir können Millionen Euro sparen, wenn wir gemeinsam entwickeln und die Ergebnisse allen zugänglich machen. Fraunhofer IML und der Technischen Universität Dortmund lernen Roboter mithilfe von Machine Learning, selbstständig komplexe logistische Aufgaben und Umgebungen im Kollektiv zu meistern.«
– Jochen Thewes, CEO DB Schenker
Digitalisierung zu fordern ist einfach, sie umzusetzen ändert alles. Eine Halbzeitbilanz der Silicon Economy.
Fußball und Digitalisierung haben vieles gemeinsam. In der Jugendmannschaft geht es noch um Spaß, spätestens in der Profi- Liga um alles. Gefühlt 80 Millionen Experten wissen genau, wie es theoretisch besser geht. Und für ein siegreiches Spiel braucht es manchmal nur einen erstklassigen Stürmer, doch nur das beste Team gewinnt ein Turnier.
Auch in der Logistik geht es gerade von Vielen unbemerkt um alles. »Die Digitalisierung wird ein neues Zeitalter der Logistik einläuten und alles für alle verändern«, sagt Prof. Dr. Dr. h. c. Michael ten Hompel, Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer- Instituts für Materialfluss und Logistik IML. Im Privatkundenbereich (B2C) haben Amazon, Uber oder Alibaba längst die Logistik übernommen, die logistische Marktführerschaft bei den B2B-Plattformen sei dagegen noch offen, was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass jetzt entschieden werde, wer künftig die Logistik der Welt steuert. Der Fraunhofer-Forscher ist überzeugt, dass nur offene Plattformen und Datenräume es allen Unternehmen erlauben werden, sich zu beteiligen, ohne ihre Geschäftsmodelle oder ihre Daten zu verschenken.
Michael ten Hompel ist der Erfinder der Silicon Economy, die als Gegenentwurf zu den monopolistischen Strukturen des Silicon Valley eine Open-Source-Infrastruktur für ein Neben- und Miteinander logistischer und industrieller B2B-Plattformen entwickelt. Das gleichnamige Forschungsvorhaben ist das größte am Fraunhofer IML seit zehn Jahren. Im September zog man Halbzeitbilanz.
I am a Silicon Economist
Mehr als 150 IML-Forscher haben gemeinsam mit der Wirtschaft dutzende Softwaretools und Algorithmen programmiert. Neuartige modulare IoT-Devices sind entstanden und zu den Augen und Ohren der Silicon Economy geworden. Sie sammeln Daten ein, aus denen parallel innovative Geschäftsmodelle entstehen. Selbst die Art und Weise, wie geforscht wird, hat sich verändert. »Forschung ist so agil wie nie zuvor. Zum ersten Mal wird nicht zu Beginn zementiert, was am Ende herauskommen soll. Wir können die Richtung ändern, wenn wir einer Innovation auf der Spur sind«, berichtet Dr. Michael Schmidt, Chief Scientist am Fraunhofer IML und Silicon- Economy-Strategieentwickler. Ein Umstand, der durchaus bemerkenswert ist, denn wenn es um Innovationen geht, verhalten sich Unternehmen normalerweise wie die Cluburlauber. Sie wollen im Voraus ganz genau wissen, wohin die Reise geht, was es zu essen gibt und welche Ausflüge auf dem Programm stehen.
Fragt man zur Halbzeit nach den Highlights, sind es aber nicht die Devices oder IT-Tools, die zuerst genannt werden. »Der Spirit der Logistik hat sich verändert«, sagt ten Hompel. Wie ernst man das Thema nimmt, zeigt auch das Kommitment der Branche. Erstmals in der Geschichte der Logistik formiert sich eine breite Allianz aus Wirtschaft, Politik und Verbänden mit dem Ziel, eine Open-Source- Software- und Hardwareumgebung für die autonome, durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Logistik bereitzustellen. Eine, die es Unternehmen ermöglicht, Dienste und Daten unternehmensübergreifend über verschiedene Plattformen hinweg sicher anzubieten und zu nutzen.
Die Erkenntnis kommt keine Minute zu früh, denn Experten rechnen in den kommenden drei Jahren mit der vollständigen Digitalisierung weiter Teile der Logistik mithilfe Künstlicher Intelligenz. Geschäftsmodelle werden sich grundlegend ändern. Geld wird dann nicht mehr mit Assets, sondern mit Plattformen, Daten und Knowhow-Vorsprung verdient.
»Es geht längst nicht mehr um die Frage, ob wir die Logistik digitalisieren, sondern nur noch darum, wie und wie schnell«, betont auch Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Sein Haus fördert die Silicon Economy vor allem auch deshalb, um dem logistischen Mittelstand die Einführung Künstlicher Intelligenz und damit die Teilhabe an Plattform-Geschäftsmodellen so einfach und kostengünstig wie möglich zu machen. Aktuell ist der Aufbau einer Plattform oder eines datenbasierten Geschäftsmodells nicht nur teuer, sondern immens aufwändig und rechtlich unsicher. Es braucht einfach anwendbare IT-Komponenten und offene Standards für konkrete Aufgaben – von der Bestellung über den Transport bis hin zur Abrechnung. »Vernetzung ist das Ziel, Open Source der Schlüssel«, sagt ten Hompel.