Das Center Textillogistik (CTL) ist eine Forschungskooperation zwischen dem Fraunhofer IML und der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Das CTL hat gemeinsam mit der Stadtreinigung Hamburg Sortieranalysen für Alttextilien durchgeführt. Ziel der Studie war die Charakterisierung der Alttextilsammlung in Hamburg hinsichtlich der Möglichkeiten Wiederverwendung, Verwertung (z. B. als Putzlappen), Aufschlüsselung nach Faser bzw. Materialarten und Erfassung sogenannter Fehlwürfe (z. B. Müll). Die Untersuchung soll nun Anlass sein, um einmal genauer hinzuschauen, was mit unserer Kleidung passiert, wenn sie nicht mehr »en vogue« ist und aus unseren Lieblingsstücken Altkleider werden.
Tragbare Altkleider sind wertvolle Ressourcen. Mit der Secondhandware kann ein weltweiter Bedarf gedeckt werden, da eine eigene Textilindustrie in den Entwicklungsländern kaum selbst dazu in der Lage wäre. Sowohl in den Herkunfts- als auch in den Empfängerländern sorgt die Wiederverwendung von Alttextilien für viele positive Effekte. So kann die Wiederverwendung im Vergleich zur Produktion neuer Kleidung Ressourcen einsparen. Es ist deshalb sinnvoll, Kleidungsstücke so lange wie möglich zu tragen.
Ohne die Textilrecyclingwirtschaft müssten Alttextilien hierzulande außerdem über den Hausmüll und damit per Müllverbrennung entsorgt werden. Zum einen wäre es umweltpolitisch falsch – da wertvolle Ressourcen vernichtet würden –, zum anderen für die Bürger mit zusätzlichen Kosten verbunden. Die Erträge aus der Wiederverwendung von Alttextilien finanzieren einen Großteil der Sammlungs- und Sortieraktivitäten und deckten in der Vergangenheit Zusatzkosten für die Verwertung und Entsorgung der übrigen Textilien.
Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Beschäftigungsmöglichkeiten, die sich durch Textilrecycling-Firmen ergeben, da die aufwendigen Sortierprozesse vor allem per Hand erledigt werden. Aber auch in den Käuferländern ergeben sich durch das gute Preis-Leistungs-Verhältnis hochwertiger Alttextilien viele neue Verdienstmöglichkeiten wie den Handel mit, oder die Aufbereitung von Secondhandware.
Die Vermarktung von Alttextilien erfolgt größtenteils nach Osteuropa und in die Entwicklungsländer Afrikas und Asiens. Zuerst landen sie aber in Sortierbetrieben, wo sie eine händische Sortierung in bis zu 350 Fraktionen nach Artikelart, Material und Qualitäten durchlaufen. Dadurch ist der Sortierprozess mit einem hohen Personaleinsatz verbunden. Je gründlicher die Sortierung ist, desto mehr Altkleider können weitergetragen werden. Entscheidend ist dabei die Nachfrage aus den Empfängerländern, die sich je nach Klimazone, Jahreszeit sowie den kulturellen Bedürfnissen unterscheidet. Die Arbeitskräfte in diesem Bereich brauchen ein entsprechend gutes Gespür für diese Bedürfnisse, die modischen Vorlieben und Materialien. Kleidung, die nicht mehr tragbar ist, wird ebenfalls per Hand oder mithilfe von Maschinen von Knöpfen, Reißverschlüssen und Ähnlichem befreit und z. B. zu Putzlappen geschnitten oder zu Recyclingfasern weiterverarbeitet.
Bei dem aktuellen Sammelaufkommen handelt es sich überwiegend um ursprünglich importierte Kleidungsstücke/Textilien, die meist aus Niedriglohnländern stammen (36 % mehr Import als Export in Deutschland). Kostendruck bei den Herstellern und häufige Kollektionswechsel bei minderer Qualität führen dazu, dass Verbraucher Kleidung in immer kürzeren Abständen neu kaufen. Aber auch die Schad- und Störstoffanteile sowie ein verdoppelter Beseitigungsanteil nicht mehr recycelbarer Textilien in den Jahren 2015 bis 2018 stehen stellvertretend für eine rapide Abnahme der Qualitäten. Gleichzeitig sorgt auch die private Weitergabe bzw. der private Verkauf von Bekleidung und Schuhen auf Plattformen wie »Vinted« dafür, dass im Sammelaufkommen weniger qualitative Ware landet und die Gesamtqualität sinkt.
Die Europäische Kommission legte im Frühjahr 2020 einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft vor, der das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU fördern soll. Demnach sind Alttextilien ab 2025 flächendeckend getrennt zu sammeln, um die Wiederverwendung und das Recycling zu erleichtern. Aus den neuen Regelungen ergibt sich, dass auch zerstörte, unbrauchbare Textilien nicht mehr im Restmüll entsorgt werden dürfen. Das CTL forscht aktuell an Möglichkeiten, wie der logistische Mehraufwand und die erwarteten steigenden Alttextilmengen bewältigt werden könnten. Klar ist, dass weit mehr nötig ist, als nur die Anzahl der Sammelcontainer zu erhöhen. Vielmehr ist es notwendig, neben den Mengen auch die verwendeten Materialien sowie mögliche Verwertungswege miteinzubeziehen.
Für den einzelnen Bürger könnte das bedeuten, dass beispielsweise mehrere Container bereitstehen, die – ähnlich wie beim Altglas – aufgeteilt sind nach bestimmten Materialien (Baumwolle, Mischfaser etc.) oder nach Dinglichkeit (z. B. Hosen getrennt von Shirts oder Handtüchern). Im Zuge der Digitalisierung ließe sich das Szenario noch ausweiten, indem Alttextilien online z. B. mittels QR-Code entsprechend den vorgegebenen Kategorien elektronisch »angekündigt« werden und auch nur in einen bestimmten Container eingeworfen werden können, der genau dieses Material oder diese Art von Kleidungsstücken annimmt. Der Ablauf wäre damit grob vergleichbar mit der Retoure von gekaufter Kleidung, die für den Rückversand in eine Paketbox aufgegeben wird.