Mit einem ersten Prototyp des »Blockchain Device« hat das Fraunhofer IML Ende Oktober 2020 ein neues Kapitel in der Logistik aufgeschlagen.
Das Gerät zur Überwachung temperaturempfindlicher Waren ist allerdings erst der Anfang einer Serie an Blockchain-fähigen IoT-Devices für die Steuerung von Lieferketten in Echtzeit, inklusive rechtssicherer Verhandlungen, Transaktionen und Buchungen.
Es gibt durchaus Stimmen, die behaupten, es hapere nach wie vor bei der Umsetzung konkreter Applikationen. Diese Aussage führen die Wissenschaftler im Europäischen Blockchain-Institut zwar nicht ad absurdum, halten aber kräftig dagegen. So steht aktuell die Entwicklung von zwei Blockchain-fähigen Devices auf der Agenda, die im interaktiven Zusammenspiel die Gefahrgutabwicklung erheblich verbessern können. »Zunächst muss man wissen, dass der Transport von Gefahrgut ein stark rechtlich geprägter Logistikprozess ist. Dies dient dem Schutz von Mensch und Umwelt«, sagt Philipp Klink vom Fraunhofer IML. »Hinzu kommt, dass zahlreiche Akteure involviert sind, vom Absender und Verlader über den Beförderer bis zum Empfänger und weiteren Kontrollinstanzen. Entsprechend umfassend ist die Dokumentationspflicht zur Einhaltung der rechtlichen und regulatorischen Vorschriften.« Diese Rahmenvorgaben schränken die Flexibilität erheblich ein und beanspruchen gleichzeitig eine zeitintensive Vorplanung. Exakt hier setzt die Blockchain-Technologie an.
Das Team des Europäischen Blockchain-Instituts verfolgt in diesem Projekt zwei Work-Streams: Auf der einen Seite steht der digitale Informationsaustausch zwischen den Prozessbeteiligten im Mittelpunkt. Darauf zielt unter anderem die Prototypentwicklung eines Blockchain-basierten elektronischen Beförderungspapiers, bei dem die Interaktion mithilfe der Blockchain lückenlos, manipulationssicher und stetig aktualisiert dokumentiert wird. Parallel geht es um die Realisierung eines Blockchain-Devices für die operative Gefahrgutabwicklung. Darüber sollen relevante Begleitdokumente aus der Blockchain abgerufen, Ereignisse kontinuierlich getrackt und Smart Contracts ausgelöst werden, über die sich wiederkehrende Prozesse der Gefahrgutabwicklung automatisieren lassen. Das spart zukünftig enorm viel Zeit und minimiert manuelle, menschengemachte Fehler. Gleichzeitig wird die Durchführung erheblich flexibilisiert, da Begleitpapiere inklusive der Historie stets in digitaler Form zur Hand sind, fortwährend auf den aktuellen Stand gebracht werden und aus den Angaben direkt Handlungsanweisungen abgeleitet werden können.
Die zwei im Rahmen dieses Entwicklungsprojekts umzusetzenden Komponenten haben die Forscher bereits trefflich benannt: »dangerous« (Digitalisierung und Automatisierung von Gefahrgut – Rechtskonform und Sicher) sowie »dragon« (Device for reliable dangerous goods transport). Doch wie funktioniert das Zusammenspiel? »Über das dangerous User Portal stellen die beteiligten Akteure digital alle relevanten Informationen für den Gefahrgutversand bereit, die ab sofort ausschließlich für dazu berechtigte Geschäftspartner verfügbar sind.«, erklärt Product Owner Sebastian Brüning. Die zu transportierenden Gefahrgüter werden erfasst und gleichzeitig werden entsprechende Versandetiketten erzeugt. »Im Rahmen der Verladung des Gefahrguts auf die Beförderungseinheit kommt dann das dragonDevice zum Einsatz«, so der Blockchain-Experte weiter. Hiermit kann ein QR-Code, der sich auf dem vorher erzeugten Versandetikett befindet, gescannt werden, um bei der Überprüfung des Gefahrgut-Zustands zu unterstützen. Der Gefahrenübergang ist nach Auslösen eines integrierten Handover-Mechanismus abgeschlossen und wird als Transaktion in die Blockchain geschrieben. Zudem erfolgt vor dem Start der Beförderung ein Hinweis auf die Kennzeichnungspflicht. Der Fahrzeugführer erfasst über das dragonDevice sowohl den Beginn als auch das Ende des Gefahrgut-Transports.
Über das Device können dann auch dragonPucks – modulare IoT-Devices zur Erfassung von Zustandsinformationen – mit dem Versandstück gekoppelt werden. Dadurch wird ein Tracking & Tracing von Gefahrgut-Transporten ermöglicht. Teilnehmer mit entsprechender Berechtigung können so den gesamten Gefahrgutabwicklungsprozess auf dem dragonDevice bzw. im Dashboard von dangerous einsehen. Außerdem wird fortlaufend überprüft, ob sich die erfassten Sensordaten innerhalb eines vorher definierten Toleranzbereichs befinden, wodurch potenzielle Gefahren im Zusammenhang mit dem transportierten Gefahrgut frühzeitig erkannt werden können.
»Die automatisierte Auftragskommunikation im Rahmen der Gefahrgutabwicklung hat den entscheidenden Vorteil, dass die Durchführung beschleunigt wird, durchgängig Transparenz geschaffen werden kann und die Planung praktisch kollaborativ erfolgt«, fasst Philipp Klink zusammen. Die Sensorik der Devices liefert zuverlässig neben der vorliegenden Temperatur und Luftfeuchtigkeit mittelfristig auch Informationen zum jeweils aktuellen Standort. »Die Überführung von gesetzlichen Vorschriften und Regularien in automatisiert ausführbare Smart Contracts trägt wesentlich zur deren Einhaltung bei. Außerdem wird der Prozess der Gefahrgutabwicklung dadurch für alle Akteure unmittelbar vereinfacht. Die Blockchain hat deshalb durchaus das Potenzial, die Gefahrgutabwicklung zu revolutionieren.« Die Entwicklungsergebnisse des bis 2023 laufenden Entwicklungsprojekts sollen als Open-Source-Komponenten zur Verfügung gestellt und so auch für kleinere und mittelständische Unternehmen zugänglich gemacht werden, die ihre digitale Transformation mithilfe der Blockchain vorantreiben und den damit verbundenen Implementierungsaufwand minimieren möchten.