Ein Hauch von »Dolce Vita«

Wie kommen Mensch und Roboter am Arbeitsplatz sicher zusammen? Antworten auf diese Frage will ein Forschungsprojekt liefern, bei dem Mitarbeitende des Fraunhofer IML gemeinsam mit europäischen Partnern die Kollaboration zwischen Menschen und Robotern im Kontext der Produktion untersuchen. Maschinelles Lernen könnte dabei zur Schlüsseltechnologie werden.

Was lässt sich nicht alles mit dem wohlklingenden Namen »Felice« in Verbindung bringen? Als italienischer Vorname erinnert er an das Lächeln eines Kindes, an das erste Sonnenlicht nach einem langen Winter oder an die sanfte Brise, die an einem warmen Sommertag über die Weiten der Toskana streicht. Forschende dagegen gehen mit dem melodischen Namen eher sachlich um und nutzen ihn als Bezeichnung für das EU-Forschungsprojekt »Flexible Assembly Manufacturing with Human-Robot Collaboration and Digital Twin Models« (FELICE). In diesem Projekt erforscht das Fraunhofer IML – gemeinsam mit Partnern – die Kollaboration zwischen Menschen und Robotern in der Produktion. Ziel ist es, die Agilität und Produktivität manueller Montageproduktionssysteme zu erhöhen, Sicherheit zu gewährleisten und das Wohlbefinden der Fabrikarbeitenden zu verbessern. Dafür werden Technologien, die die kognitiven Fähigkeiten des Menschen mit der Genauigkeit und Ausdauer von Robotern kombinieren, gesucht und entwickelt. Ein Fokus liegt dabei auf der physischen Ergonomie der Mitarbeitenden. Verschiedene Datenquellen wie Wearables, BCIs und Kamerasysteme werden dafür zusammengefügt, um daraus einen »digitalen Zwilling« der gesamten Arbeitsumgebung zu erstellen. Über die Methoden des Maschinellen Lernens (ML) und der Künstlichen Intelligenz (KI) passen die Forschenden die Verhaltensweise der Roboter an die interagierenden Menschen an. Das Projekt sieht dafür adaptive Arbeitsstationen und einen gezielt eingesetzten Roboter mit Greifarm vor, der mit den Menschen in den Montagelinien zusammenarbeitet. Immer dann und immer dort, wo er im Prozess am meisten unterstützen kann. Über die KI wird versucht, möglichst auch die Kognition Stück für Stück dem Roboter zu überlassen.

Mensch und Roboter im realen Arbeitsprozess

Konkret umgesetzt wird FELICE im Centro Ricerche Fiat (CRF) in Melfi (Italien). Die Forschungs-Tochterfirma von Fiat betreibt dort eine Versuchshalle, in der Autotüren zusammen- und auseinandergebaut werden. Hier wird untersucht, wie der aktuelle Bedarf in der Fertigung gedeckt und die nächste Generation von Montageprozessen entwickelt werden kann. Für Oliver Urbann aus der Abteilung für Künstliche Intelligenz und Autonome Systeme am Fraunhofer IML ist es von großem Vorteil, dass FELICE sehr industrienah mit echten Robotern, Menschen und realen Arbeitsabläufen arbeitet, »was selten ist und eine wertvolle Chance darstellt.« Ein sehr vielschichtiger Forschungsbereich, den sein Team unter den dort herrschenden optimalen Bedingungen vorantreiben will, ist das »Greifen von Gegenständen durch Roboter«, das trotz vieler Bemühungen immer noch nicht optimal funktioniert. Allerdings handelt es sich dabei auch um einen hochkomplexen Vorgang, bei dem sehr viele Faktoren berücksichtigt werden müssen – wie zum Beispiel die richtige Kraft beim Greifen oder die optimale Position von Roboter oder Werkzeug. »Immerhin brauchen auch wir Menschen nach unserer Geburt mehrere Jahre, bis wir einen Schraubenzieher richtig greifen können – und das, obwohl wir Robotern intellektuell weit voraus sind«, veranschaulicht Oliver Urbann die Komplexität des Arbeitsschritts.

Maschinelles Lernen optimiert den Greifprozess

Zum Gamechanger könnte das Maschinelle Lernen werden. »Einfach formuliert simulieren wir in diesem konkreten Fall sehr viele Roboter parallel, die alle eine leicht veränderte Umgebung vorfinden«, so Urbann. Beispielsweise liegt der Schraubenzieher an einer versetzten Stelle oder der Roboter steht an einem anderen Platz. Dadurch »lernt« das Gesamtsystem, wie es auf sehr unterschiedliche Situationen zu reagieren hat. Inzwischen sind die IMLForschenden so weit, dass dem Roboter der Schraubenziehen weggenommen und woanders hingelegt werden kann und er diesen »Fehler« eigenständig korrigiert. Dazu Oliver Urbann: »Ich bin mir sicher, dass wir künftig mit den Algorithmen des Maschinellen Lernens – insbesondere durch die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten – in der Robotik noch sehr viel Potenzial heben. Der Durchbruch kommt schon sehr bald – wir arbeiten mit Hochdruck an dieser Herausforderung.«

»Ich bin mir sicher, dass wir künftig mit den Algorithmen des Maschinellen Ler nens – insbesondere durch die Verbesse rung der kognitiven Fähigkeiten – in der Robotik noch sehr viel Potenzial heben. Der Durchbruch kommt schon sehr bald – wir arbeiten mit Hochdruck an dieser Herausforderung«

- Dr.-Ing. Oliver Urbann

»Dolce Vita« liegt in der Luft

Drei Männer arbeiten gemeinsam an einem Computer.
© Fraunhofer IML

Zur Herausforderung für die Teammitglieder des Fraunhofer IML wird aber auch jede Anreise zum FELICE-Hauptquartier im süditalienischen Melfi. Die 20.000-Seelen-Gemeinde liegt – weit entfernt von den hektischen Straßen und dem Lärm großer Städte – »in the middle of nowhere«, umgeben von malerischen Landschaften mit sanften Hügeln. Ein Ort der Ruhe, der wirklich gut zu FELICE passt. Er verströmt einen Hauch von »Dolce Vita«. 

Sebastian Hoose, M.Sc.

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Sebastian Hoose, M.Sc.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Abteilung Robotik und Kognitive Systeme

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