Kommunikationsprobleme adieu

AGV Mesh-Up – Interoperabilität von FTS live erleben

Bereits zum vierten Mal fand in diesem Jahr das AGV Mesh-Up des VDMA-Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik während des Test Camp Intralogistics in Dortmund als Test für die VDA 5050 statt. Während dieser Veranstaltung konnten VDMA-Mitgliedsunternehmen und Forschungsinstitute ihre Fahrzeuge und Softwarelösungen mit der neuen Kommunikationsschnittstelle ausgiebig testen, den Testcamp-Fachbesuchern vorstellen und im Dialog mit ihnen praxisrelevante Fragen diskutieren. 

Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) unterschiedlicher Hersteller innerhalb einer Anlage »auf Linie« zu bekommen, galt in der Vergangenheit als nahezu unmöglich. Schließlich sprechen sie von Haus aus unterschiedliche Sprachen. Abhilfe schafft jetzt die Richtlinie VDA 5050. Forscher des Fraunhofer IML sind an der Entwicklung und Umsetzung des Kommunikationsstandards beteiligt

Es ist der 10. April 2024: Auf einem 500 Quadratmeter großen Versuchsfeld in den Dortmunder Westfalenhallen bewegen sich während des »Test Camp Intralogistics« acht mobile Roboter verschiedener Hersteller präzise und zielgerichtet. Ausgestattet mit modernster Sensortechnologie und Künstlicher Intelligenz navigieren sie mühelos durch den Parcours und transportieren verschiedene Waren von einem Punkt zum anderen – ohne menschliches Eingreifen. Die Roboter kommunizieren über das VDA-5050-Protokoll mit der Leitsteuerung. Dadurch werden Zusammenstöße vermieden und die effizientesten Routen berechnet. Ihre Bewegungen sind synchronisiert und optimiert, was einen reibungslosen und kontinuierlichen Warenfluss gewährleistet. Das gesamte Szenario, das sich den Teilnehmenden und Besuchenden des diesjährigen AGV Mesh-Up in Dortmund präsentiert, wirkt wie eine gut geölte Maschine, die unermüdlich arbeitet, um die Logistikprozesse zu perfektionieren. Am Rande des Versuchsfeldes beobachtet Thomas Albrecht die Szenerie sehr genau. »Vor wenigen Jahren wäre dieser Ablauf so nicht möglich gewesen«, urteilt der Spezialist für Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) am Fraunhofer IML und erläutert: »Heutige Fahrerlose Transportsysteme sind eigentlich immer Insellösungen, bei denen die Steuerung der FTF proprietär und somit herstellerspezifisch gelöst ist. Dies wiederum hatte – bisher – zur Folge, dass diese von unterschiedlichen Anbietern hergestellten mobilen Roboter nicht durch eine gemeinsame Leitsteuerung eines Herstellers gesteuert werden konnten.« Ein Umstand, der insbesondere in der Automobilindustrie – in der üblicherweise viele FTF unterschiedlicher Hersteller zum Einsatz kommen – in der Vergangenheit für Unzufriedenheit sorgte. 

Gamechanger VDA 5050

Abhilfe bringt die Richtlinie VDA 5050, ein Schnittstellenprojekt, das vom VDMA-Fachverband Fördertechnik und Intralogistik und dem Verband der Automobilindustrie VDA initiiert und mit verschiedenen Partnern als Open-SourceProjekt umgesetzt wird. Die Kommunikationsschnittstelle ermöglicht die Integration einer Flotte heterogener mobiler Roboter unterschiedlicher Hersteller unter einem Leitsystem. An der Entwicklung beteiligt sind seit Jahren auch Forschende des Fraunhofer IML. In diesem Jahr hat das Dortmunder Forschungsinstitut gleich zwei Eigenentwicklungen in den Praxistest geschickt: ein Paletten-FTF mit dem innovativen Fahrwerkskonzept STUART und die Open-Source-Software libVDA5050++. STUART löst die statische Überbestimmtheit konventioneller vierrädriger Fahrwerke ohne teure und wartungsintensive Federn, Dämpfer oder Aktorik. Dank seines simplen Aufbaus skaliert er beliebig in Größe und Traglast und eignet sich für nahezu jeden Anwendungsfall. Das STUART-Fahrwerk hat je ein Stützrad vorne und hinten sowie zwei mittig an den Längsseiten platzierte Antriebsräder, die eine mittige Differentialantriebsachse bilden. Alle Räder sind mit einfachen Hebeln und Gelenken verbunden und bilden zwei gekoppelte Aufstandsdreiecke. Dadurch behalten alle vier Räder auch bei starken Bodenunebenheiten stets Bodenkontakt. Dieser Aufbau gewährleistet einerseits Standsicherheit und verhindert andererseits das typische »Kippeln« beim Anfahren und Bremsen. Somit kann in vielen Fällen die sonst häufig im Vorfeld einer FTS-Einführung geforderte Bodensanierung entfallen, um den sog. »FTS-gerechten« (= ebenen, schlaglochfreien) Boden herzustellen. In Kombination mit einer neuartigen Lastwechselstation für Paletten kommt das vorgestellte FTF sogar ohne eine aktive Hubeinrichtung bei der Palettenaufnahme oder -ablage aus. Die Lastübergabestation besteht aus zwei mit Rollenbahnen versehenen Auflagern für die Transportpalette. Im vorderen Bereich sind 50 cm der Rollenbahnen leicht nach unten geneigt, sodass die Palette beim Hineinfahren aufgeschoben wird. Die Transporteinheit wird durch die Vorwärtsfahrt des FTF vom Fahrzeug abgehoben und auf die Station übergeben. Je nach Stationstyp kann das FTF nach der Lastabgabe durchfahren oder rückwärts herausfahren. Zum Abholen einer Transporteinheit fährt das FTF in umgekehrter Orientierung in die Station und übernimmt die Last mit einem einfachen Mitnehmermechanismus. Die ebenfalls am Fraunhofer IML entwickelte und durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderte libVDA5050++ ist eine Open-Source-Umsetzung des VDA5050-Standards. Diese wurde Middleware-neutral gestaltet und lässt sich ohne großen Aufwand an die individuellen Bedürfnisse von Herstellern und Anwendern von FTF anpassen. Die gesamte Steuerungslogik der VDA 5050 ist innerhalb der Umsetzung gekapselt und kann mittels schlanker Schnittstelle einfach an eine vorhandene Fahrzeugsteuerung angebunden werden. Zudem werden Unstimmigkeiten in der Implementierung durch die libVDA5050++ verringert, wodurch diese als zukünftiger Standard fungieren kann.

Halle mit verschiedenen Fahrerlosen Transportfahrzeugen
© TEST CAMP INTRALOGISTICS
Thomas Albrecht

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Dipl.-Ing. Thomas Albrecht

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Dennis Lünsch, M.Sc.

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Dennis Lünsch, M.Sc.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Abteilung Robotik und Kognitive Systeme

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