Mit smarter Unterstützung stressfrei Reisen

Es ist laut, der Bahnsteig ist voller Menschen und in fünf Minuten fährt die S-Bahn zum Flughafen. Aber von wo fährt sie ab? Situationen wie diese begegnen Reisenden jeden Tag. Wenn in Zukunft noch mehr verschiedene Verkehrsmittel eine Reisekette bilden, wird Mobilität noch komplexer. Helfen kann ein Assistenzsystem, das nicht nur die beste Verbindung, sondern auch die richtigen Wege beim Umsteigen und die Vorlieben des Reisenden kennt. »RadAR+« ist der erste Prototyp eines persönlichen, adaptiv lernenden Reiseassistenten, der mit Augmented-Reality-Technologie alle gewünschten Informationen bereitstellt.

 

Für den Weg in den Urlaub mit dem Auto ist Tür-zu-Tür-Navigation mit dem Smartphone längst Normalität. Doch was ist, wenn der Weg zum Ziel mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird? Wer vom örtlichen Bahnhof mit dem Zug nach Frankfurt fährt und dort in die S-Bahn zum Flughafen steigt, kann sich noch nicht so bequem navigieren lassen. Spätestens beim Umsteigen im Bahnhof oder bei der Suche nach dem richtigen Terminal wissen bisherige Navigationstools nicht weiter. »Insbesondere, wenn Reisende keine Ortskenntnisse haben, entsteht dann schnell Stress«, sagt Teamleiterin Nicole Wagner, die neben der Anforderungsanalyse aus Betreiberperspektive auch für die Feldstudie zur Evaluation der Nutzer hinsichtlich Technik und Akzeptanz zuständig war.

 

Navigation per Smartphone und Datenbrille

Mit RadAR+ erreichen Reisende stressfrei ihr Ziel: Das »Reiseassistenzsystem für dynamische Umgebungen auf Basis von Augmented Reality« nutzt das Smartphone und eine Datenbrille. Dank Funksendern, sogenannten Beacons, erkennt das Gerät seinen Standort auch in Gebäuden, und die kontinuierliche Ortung des Nutzers ist gesichert. Gut 150 Beacons hängen dafür im Fernbahnhof und im Terminal 1 in Frankfurt. Sie sind meist nicht weiter als zwei Meter voneinander entfernt. So kann sich das System korrekt lokalisieren und RadAR+ kann den besten Weg zum richtigen Gleis oder Terminal auf der AR-Brille einblenden. Über die Tonausgabe der Datenbrille erteilt das System orts- und zeitbezogen zusätzlich Tipps, wie etwa eine Ausstiegserinnerung. Sollte ein Bus, Zug oder Flug verspätet sein, informiert RadAR+ die Reisenden sofort. Dafür integriert der Assistent Echtzeitdaten zu Verkehrsstörungen in die Planung und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor. Der Benutzer kann durch Gesten- oder Sprachsteuerung zwischen den verschiedenen Möglichkeiten wählen oder mehr Informationen anfordern. Das Display auf der Nase und ein Sprachinteraktionsmodul ermöglichen eine weitgehend freihändige Bedienung von RadAR+. Ähnliche Systeme verwendet die Logistik schon heute: AR-Brillen helfen z. B. beim Kommissionieren oder zeigen den Weg durchs Lager.

© Fraport AG
»RadAR+« soll das Reisen zukünftig stressfreier und persönlicher gestalten.

Individuell Reisen

Für manche Reisende ist Barrierefreiheit wichtig. Andere wollen möglichst schnell sein oder brauchen vielleicht wegen sperrigen Gepäcks besonders viel Zeit. Das System lernt ständig dazu: Mit häufiger Benutzung erkennt RadAR+ die durchschnittliche Gehgeschwindigkeit. So kann es die Planung an einzelne Reisende anpassen und z. B. eine Alternativroute mit weniger Umsteigen vorschlagen. Bei Bedarf kann der Benutzer auch selbst die Neuplanung der Verbindung anfordern, wenn etwa ein Fahrstuhl nicht funktioniert und das noch nicht vom System erfasst wurde. Damit der Assistent optimal auf die Bedürfnisse der Reisenden eingehen kann, sammelt er Nutzungsdaten und speichert diese sicher auf dem Smartphone. Hier werden sie lokal von einem Algorithmus ausgewertet. So kann er optimale Routen auf Grundlage früherer Reisen, aktueller Ereignisse und individueller Präferenzen vorschlagen. Weil die Daten das eigene Smartphone nicht verlassen, ist ihr Schutz gewährleistet.

Wartezeiten vermeiden oder gut nutzen

Sollte eine Verbindung ausfallen oder anderweitig eine Wartezeit entstehen, kann der Assistent alternative Verbindungen vorschlagen. Sollte man dank schweren Gepäcks oder eines Gipsbeins langsamer sein als sonst, erkennt RadAR+ dies. Auf Wunsch kann die Verbindung umgeplant werden. Sollten dennoch Wartezeiten entstehen, hilft der Assistent, diese gut zu überbrücken: Er lernt nicht nur das Schritttempo und Verkehrsverhalten, sondern auch kulinarische und kulturelle Vorlieben und kann so nahegelegene Cafés oder Restaurants für die Wartezeit empfehlen.

 

Praxistest im ÖPNV und am Gleis

Bei einer Praxiserprobung im April und Mai 2019 wurden AR-Brillen erstmals für die Navigation im öffentlichen Verkehr und beim Umsteigen benutzt. Die Teststrecke verlief vom Frankfurter Hauptbahnhof bis zum Flughafen Frankfurt am Main, einschließlich Regional- und Fernbahnhof. Andere Fahrgäste fanden das spannend: »Unsere Probanden wurde gerade bei Wartezeiten am Gleis neugierig angesprochen: Was ist das? Wie funktioniert das?«, beschreibt Wagner. »Doch in der Bahn war das Interesse meistens erloschen, da hier die meisten Fahrgäste mit ihrem eigenen Smartphone beschäftigt waren.«

Das Team vom Fraunhofer IML entwickelte nicht nur die Idee für die Studie mit, sondern leistete wissenschaftliche Vorarbeit zur Systemgestaltung und benutzerzentrierten Entwicklung. Bereits zu Projektbeginn hatte das Team die Bedürfnisse von Reisenden und Verkehrsunternehmen ermittelt. Diese Auskunfts-, Informations-, Navigations- und Orientierungsfunktionen bilden die Grundlage für die verschiedenen Szenarien, die in die Software-Gestaltung einflossen.

 

Eine Lösung nicht nur für Frankfurt

Beim Praxistest des Assistenten hatte es dann die Reaktionen der Reisenden besonders im Blick: Der Fokus lag vor allem auf der Akzeptanz des Systems. Diese fiel bei den Testpersonen sehr gut aus: »Obwohl sie sich völlig bewusst waren, dass sie mit der Brille auffallen, war der ›Wohlfühlfaktor‹ hoch.« Viele der Versuchspersonen können sich vorstellen, den Reiseassistenten auch im Alltag zu benutzen. Besonders in unbekannten Umsteigesituationen oder bei der Auswahl der besten Verkehrsmittelkombination würden sie den Assistenten einsetzen – vor allem, weil sie so besser auf kurzfristige Änderungen reagieren und Stress vermeiden können.

Dank der rasanten Weiterentwicklung des Marktes für AR-Brillen ist die Nutzung von Assistenten wie RadAR+ in nicht allzu ferner Zukunft realistisch. Deswegen wollen das Fraunhofer IML und die Projektpartner bei möglichen Folgeprojekten vor allem die Positionserkennung und die Integration von Echtzeitdaten verbessern. Außerdem soll RadAR+ auf weiterer Hardware getestet und auch auf mehr Standorte erweitert werden. RadAR+ wird mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelt.

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