Die Blockchain ist schon längst kein Nischenthema mehr. Denn mit ihrem Einzug in das Supply-Chain-Management avanciert die Wertschöpfungskette zum Wertschöpfungsnetzwerk innerhalb der Silicon Economy. Um die damit verbundenen Chancen – auch im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle – auszuschöpfen, entsteht am Fraunhofer IML das Europäische Blockchain-Institut. Dieses ist Teil der Digitalstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen und hat mit »LogCoin« bereits erste Ergebnisse erzielt.
Ein Blick in die Zukunft: Die Industrie 4.0 wird nicht nur smart, sondern auch von komplexen internationalen Waren- und Finanzströmen geprägt sein. Das Internet der Dinge, also vernetzte Gegenstände, die sich selbstständig über das World Wide Web verbinden und ihre Jobs erledigen, schafft Raum für neue Applikationen. Zu den Netzwerkteilnehmern werden auch Smart Objects wie »sprechende« Container und cyber-physische Systeme gehören, die Messwerte in Echtzeit liefern. In Verbindung mit intelligenten Assistenzsystemen lassen sich so neue Potenziale für Prozessverbesserungen und ein optimiertes Management heben.
Sofort verfügbare Daten – überall
Um die großen Datenmengen ebenfalls in Echtzeit nutzen zu können, bedarf es jedoch neuer Strukturen. Die gängige Methode, alle anfallenden Informationen zunächst an einer zentralen Stelle zu bündeln, etwa mithilfe eines Servers, und dann an einzelne Empfänger weiterzuleiten, kostet Zeit und Ressourcen. Daher ist der Aufbau eines dezentralen Netzwerks, das alle Beteiligten verbindet und so einen schnellen sowie sicheren Transfer zulässt, von immenser Bedeutung. Die Anwendung der Distributed-Ledger-Technologie (auf Deutsch »verteilte Buchführung«), die auch hinter Kryptowährungen wie Bitcoin steht, ermöglicht genau das. Denn im Gegensatz zu den öffentlichen Kryptowährungen lässt sich eine private Blockchain nur für ausgewählte Teilnehmer öffnen.
Manipulationssicher und schnell
Die Blockchain ist also ein dezentraler Datenspeicher, der Informationen in Blöcken ablegt und diese verknüpft. Dank der daraus resultierenden Kette kann jeder Teilnehmer sämtliche Transaktionen nachvollziehen. Auch sind die dezentralen Daten durch eine Zugriffskontrolle vor Unbefugten geschützt. Weiter unterstützt wird die Manipulationssicherheit, indem jeder eingebundene Partner über eine Kopie der gesamten Blockchain verfügt. »Anders als bei einem ›normalen‹ Netzwerk reicht es nicht, einen einzigen Eintrag abzuwandeln – man müsste an jedem einzelnen Speicherort der Blockchain gleichzeitig die selbe Veränderung vornehmen«, erklärt Philipp Sprenger, Blockchain-Experte am Fraunhofer IML. »Bei der Vielzahl der Mitglieder in einer international vernetzten Supply Chain ist das ein Ding der Unmöglichkeit.« Gerade diese Sicherheitsfaktoren machen die Distributed-Ledger-Technologie interessant für breite Anwendungen. Sie kann die Lieferkette von Lebensmitteln transparent machen, Kunstwerke und Luxusartikel vor Fälschungen schützen und smarte Versicherungen generieren.
Systematisch aufgesetzte Innovationsarbeit
An weiteren Chancen arbeitet das Blockchain-Institut am Fraunhofer IML. Denn durch Vorstöße von Unternehmen oder Verbünden konnten bislang nur vereinzelte Applikationen umgesetzt werden. Aus diesen lässt sich jedoch keine ganzheitliche Plattform für alle schaffen, es entstehen vielmehr »Insellösungen«. Aus diesem Grund ist ein koordiniertes, innereuropäisches Vorgehen so wichtig. Dafür entsteht am Fraunhofer IML 2019 das Europäische Blockchain-Institut. Als unabhängige Organisation kann das Dortmunder Institut adäquate Standards entwickeln. Damit werden die technischen Voraussetzungen für eine Open-Source-Lösung geschaffen, die allen an der Supply Chain Beteiligten den Zugang zur Blockchain ermöglicht: KIStart-ups ebenso wie Herstellern von Lagerhardware, ERP-Anbietern, Produktionsunternehmen oder Logistikdienstleistern. In der Folge können KI-Services, neue Geschäftsmodelle in der Logistik und auch das Supply Chain Management darauf aufbauen.
Die am Fraunhofer IML existierende Forschungsinfrastruktur rund um die Themen Blockchain und Logistik ist hier besonders hilfreich. Speziell Nordrhein-Westfalen mit der bundesweit größten Zahl an Logistikunternehmen kann in besonderem Maße profitieren. Mit dem Projekt sollen nun drängende Fragen beantwortet werden, damit die Blockchain-Technologie europaweit wirksam eingesetzt werden kann. Ziel ist auch, das Vertrauen in Online-Geschäftsbeziehungen zu steigern und Umwege über große Internet-Konzerne überflüssig zu machen. Folge wäre eine »Demokratisierung des Internets und der Digitalwirtschaft«.