Da es sich bei dem Service um eine webbasierte Plattform handelt, kann er auf Standard-PCs und mobilen Smart Devices wie einem Smartphone genutzt werden. Einzige Voraussetzungen sind ein Browser und Internetzugang. Um den Prozess sicher zu gestalten, verwendet der Service über eine Schnittstelle den Token-Manager aus dem Projekt zum Aufbau des Europäischen Blockchain-Instituts. Auf der Blockchain werden sowohl die eindeutige ID des elektronischen Frachtbriefs gespeichert, als auch der sogenannte »Hashwert«. Der Hashwert ist dabei wie der individuelle Fingerabdruck eines Dokuments zu verstehen: Ändert ein Nutzer oder eine Nutzerin das Dokument um nur ein Zeichen, verändert sich auch der Hashwert, also der »Fingerabdruck «. »Anhand des Hashwerts kann ich als Empfänger des Dokuments also überprüfen, ob der Fingerabdruck auf der Blockchain mit dem Fingerabdruck des digitalen Frachtbriefs übereinstimmt. Dadurch kann ich jederzeit nachvollziehen, ob die Daten auf dem Weg verändert oder gar manipuliert wurden«, erklärt Patrick Becker. Die Unterschrift per digitaler Signatur trägt darüber hinaus zur Authentizität der Daten bei. Die sogenannte fortgeschrittene Signatur (gemäß EU-Verordnung) verknüpft die digitale Signatur mit dem jeweils aktivierten Benutzer- Account und dem Hashwert des Dokuments. Die Themen digitale Unterschrift und Nutzermanagement stellen für das Projektteam aktuell noch eine Herausforderung dar, da noch unklar ist, welche Ansprüche zuständige Behörden ggf. an die digitale Signatur stellen könnten. Offen ist beispielsweise, ob eine weitere Authentifizierung, z. B. durch Verifikation per Personalausweis, nötig ist und wie diese durchzuführen ist.
Dass elektronische Frachtbriefe wie ihre Vorgänger aus Papier überhaupt auf Deutschlands Straßen genutzt werden dürfen, gilt erst seit Kurzem. Ähnlich dem ursprünglichen CMR-Protokoll, dem alle CMR-Mitgliedstaaten zugestimmt haben, gibt es seit 2008 ein Zusatzprotokoll für die elektronische Variante, dem jedes einzelne Land erneut zustimmen muss. Dieses Zusatzprotokoll ist im April 2022 in Deutschland in Kraft getreten und bildet damit auch hierzulande die gesetzliche Grundlage. Je früher die einzelnen Mitgliedstaaten dem Zusatzprotokoll zugestimmt haben, desto eher konnten sie den elektronischen Frachtbrief nutzen. Aktuell zeichnet sich die Gefahr eines »Tarifdschungels« ab, da immer mehr Dienstleister eigene Lösungen für elektronische Frachtbriefe anbieten. »Das Problem ist, wenn es hunderte dieser eCMR-Dienstleister gibt und ich beispielsweise Kunden in Niederlande, Spanien und Portugal habe und jedes Land aber seine eigenen eCMR-Dienstleister hat, müsste ich mit denen allen ja kooperieren, damit ich diese Transporte überhaupt abbilden kann«, erläutert Patrick Becker. »Deswegen setzen wir mit dem eCMR – und das ist der große Unterschied zu allen anderen e-Frachtbriefen – auf eine Open-Source-Lösung. Da wir das Ganze quelloffen machen, ist es jedem Unternehmen möglich, bedarfsgerechte Anpassungen vorzunehmen und trotzdem mit den verschiedenen Instanzen zu sprechen und Daten auszutauschen, weil alle die gleiche Basis und internationale Standards verwenden«, so Becker.
Die Praxistauglichkeit des elektronischen Frachtbriefs hat das Fraunhofer IML gemeinsam mit einem international tätigen Logistikdienstleister im August 2022 erstmals in einem grenzüberschreitenden Stückgutverkehr auf einer Transportstrecke zwischen Deutschland und den Niederlanden getestet. Es zeigte sich, dass der eCMR bereits heute funktioniert und in der Handhabung intuitiv ist. Das Projektteam überführt die Ergebnisse und das Feedback jetzt in konkrete Anforderungen, um den Dienst für die Logistik auszubauen. Es ist geplant, weitere Funktionen zu integrieren und in nachfolgenden Testphasen zu validieren. Insbesondere der Open-Source-Ansatz des eCMR stößt bei Verbänden und Organisationen der Logistik, aber auch bei den Logistikunternehmen auf großes Interesse. Denn jedes Unternehmen, das Transporte ins Ausland tätigt, muss den Frachtbrief mit sich führen. Es ist also nur logisch, dass fünf Unternehmen nicht fünf Lösungen entwickeln. »Das Thema hat aktuell so viel Wind in den Segeln, wir haben sehr viele Anfragen von Unternehmen, die das mit uns testen wollen. Es ist einfach schön zu sehen, dass sich selbst vermeintlich konkurrierende Unternehmen an einen Tisch setzen und wir gemeinsam an einer europäischen Lösung arbeiten – denn die brauchen wir«, sagt Patrick Becker.