Fraunhofer IML eröffnet neue Forschungshalle für »Zellulare Fördertechnik«:
Dortmunder Wissenschaftler lernen von Ameisen
Pünktlich zu seinem 30-jährigen Bestehen eröffnete das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML am heutigen Mittwoch eine eigens errichtete Forschungshalle für »Zellulare Fördertechnik« (ZFT). Hier werden die Fraunhofer-Wissenschaftler in den kommenden fünf Jahren untersuchen, wie sich »Schwarmintelligenz« für die Logistik nutzen lässt. Ziel ist es, Versorgungsketten energiesparender zu gestalten und flexibler auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Damit startet in Dortmund der derzeit größte Versuch zur Anwendung künstlicher Intelligenz in der Logistik.
Ob Ameisen, Bienen oder Vögel – alle sind sie im Schwarm erfolgreicher als einzeln. Daher hat es sich das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund zur Aufgabe gemacht, von dieser so genannten »Schwarmintelligenz« zu lernen. In einer 1.020 m2 großen Forschungshalle, direkt neben dem Institutsgebäude, simuliert ein Versuchsaufbau ein komplettes Lagerzentrum mit Regalen und Kommissionierstationen, wie es fast alle produzierenden Unternehmen und Versandhändler betreiben. Darin suchen sich seit heute 50 fahrerlose Transportfahrzeuge selbstständig ihre Aufgaben und ihren Weg.
Was abenteuerlich klingt, bietet weitreichende Chancen: Ein Schwarm, der durch Kommunikation untereinander entscheidet, wer die Arbeit übernimmt, kann sich viel flexibler anpassen. Gibt es an einem Tag beispielsweise weniger Ware aus dem Lager zu holen, so kommen nur die benötigten Fahrzeuge zum Einsatz. Bei den bisherigen Lösungen müssen kilometerlange Rollenbahnen betrieben werden, auch wenn nur ein einziges Paket transportiert werden soll. In einem Schwarmsystem werden nicht erforderliche Fahrzeuge einfach abgestellt und verbrauchen keinen Strom. Auch im Einsatz benötigen die Fahrzeuge weniger Energie, da sie sich selbst die jeweils kürzeste Route zum Ziel suchen. »Evolution ist das einzige, was in den letzten vier Mrd. Jahren funktioniert hat. Wir können neuen Herausforderungen nur mit überlebensfähigen Lösungen begegnen. Daher haben wir uns die Natur als Vorbild genommen und uns die Frage gestellt, wie könnte die optimale Logistik-Lösung aussehen«, erläuterte Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML und Erfinder der »Zellularen Fördertechnik«, bei der feierlichen Eröffnung der Versuchshalle.
An der Weiterentwicklung dieser revolutionären Lösung werden in den kommenden Jahren zahlreiche Wissenschaftler des Fraunhofer IML arbeiten. Dabei findet die Forschung nicht im Verborgenen statt: Wer nach Dortmund kommt, kann über ein großes Schaufenster jederzeit einen Blick in die 60 m lange und 17 m breite Halle werfen und die Forschungsarbeiten live beobachten. Insgesamt beträgt das Projektvolumen 5,5 Mio. Euro. Dies beinhaltet auch die Produktion der 50 vom Fraunhofer IML entwickelten Fahrzeuge durch die Dematic GmbH aus Offenbach, einem langjähriger Forschungspartner des Fraunhofer IML im Bereich Transportsysteme.
Gefördert wird das zukunftsweisende Forschungsprojekt unter anderem vom Land NRW. »Zur Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, aber auch zur Sicherung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts NRW sind exzellente Wissenschaft und Forschung von herausragender Bedeutung. Die Logistikforschung in Dortmund ist hier ein besonders gelungenes Beispiel«, betonte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze im Rahmen der Feierlichkeiten.
Die letzten 30 Jahre waren für das Fraunhofer IML geprägt von Erfindungen, die ihren Weg in die Logistik-Branche und teilweise darüber hinaus fanden. Von unterschiedlichen fahrerlosen Transportsystemen über intelligente Verpackungen bis hin zu Ortungslösungen für Lawinen-Opfer und innovativen Systemen für Parkhäuser, hat das Institut zahlreiche Abläufe verbessert und mehr Sicherheit geschaffen. »In der Vergangenheit ist es dem Fraunhofer IML stets geglückt, nicht nur praxisnahe Lösungen für branchenspezifische Problemstellungen zu entwickeln, sondern – ganz im Gedanken der Fraunhofer-Gesellschaft – auch gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Daher freue ich mich besonders, dass sich diese Tradition mit der heutigen Eröffnung des Schwarm-Experiments fortsetzt«, gratulierte Prof. Dr. Ulrich Buller, Vorstand Forschungsplanung der Fraunhofer-Gesellschaft.
Aber nicht nur auf diesem Gebiet wird es in gewohnter Vielfalt weitergehen: Neben der »zellularen Fördertechnik« wird das Fraunhofer IML beispielsweise gemeinsam mit dem ebenfalls in Dortmund ansässigen Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST am Thema »Cloud Computing für die Logistik« arbeiten. Ziel ist es, das Thema Cloud Computing für die Branche nutzbar zu machen. »Wir wollen ein virtuelles Software-Kaufhaus schaffen, in dem vor allem kleine und mittlere Unternehmen günstig an spezielle Logistik-Software kommen können – ohne immense Investitionen in ein System tätigen zu müssen, von dem sie nur Bruchteile nutzen«, unterstrich Prof. Dr. Jakob Rehof, Institutsleiter des Fraunhofer ISST.
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