Eher Realität als Fiktion ist, dass Maschinen ohne menschliches Zutun zum Beispiel Nachschub für die Produktion bestellen und dazu smarte Verträge abschließen könnten. Mehr vage als entschieden sind hingegen Fragen der Rechtssicherheit. Eine Kooperation der Fraunhofer-Institute IML und ISST mit der Universität des Saarlandes und der Ruhr-Universität Bochum stellt sich in den kommenden vier Jahren diesem Themenkomplex.
Wenn eine Sendung nicht termingerecht ankommt oder ein Teil der Ware fehlt, ist das allemal ärgerlich. Wer daraufhin den Verantwortlichen in die Pflicht nehmen will, läuft in der »Industrie 4.0« Gefahr, dass dies schlicht nicht möglich ist – und zwar genau dann, wenn Maschinen den Liefervertrag abgeschlossen haben. Denn die Maschine oder ein Softwareprogramm ist nach derzeitigem Rechtsverständnis kein Träger von Rechten und Pflichten, sodass sie nicht haftbar gemacht werden können.
Um Rechtsfragen in der Industrie 4.0 näher zu beleuchten, wurde im Juni 2019 das Projekt »Industrie 4.0 Recht-Testbed« initiiert. Die Mission dieses vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projekts unter der Leitung des Fraunhofer IML fasst Emanuel Skubowius zusammen: »Tatsächlich relevante Rechtsproblematiken identifizieren, Lösungen technischer und rechtlicher Natur bereitstellen und rechtssicherheitsbedingte Investitionshemmnisse für Unternehmen ausräumen.«
»Sandkasten« als Experimentierfeld
Um ein rechtssicheres Verhalten für Maschinen herleiten zu können, werden Industrie-4.0-Anwendungsfälle untersucht und rechtliche Konflikte identifiziert. Anschließend begutachten Juristen die Situation. Ein derartiges Recht-Testbed für smarte Maschinen ist neu. Lara Waltermann vom Fraunhofer IML beschreibt das Testbed: »Wie in einem großen Sandkasten können Unternehmen dort die Software ausprobieren, mit der ihre Maschinen in Zukunft Transaktionen ausführen sollen.« Software beziehungsweise Verhandlungsagenten repräsentieren dabei die Maschinen. Wie diese Verhandlungen ablaufen und welche rechtlichen Klauseln dabei helfen, Rechtskonformität herzustellen, wird nachvollziehbar. So könnten zum Beispiel IT-Sicherheitslücken oder Defizite in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkannt werden.
Das Testbed soll insbesondere von kleineren und mittelständischen Unternehmen (KMU) genutzt werden, für die das Aufsetzen einer eigenen Testumgebung in der Regel zu teuer ist. Es wird jedoch nicht als Prüfstelle fungieren oder zertifizieren.