Vor drei Jahren wurde das Center für Logistik und Mobilität des Fraunhofer IML im HOLM eröffnet – welches Fazit ziehen die beiden Leiter Prof. Uwe Clausen und Prof. Michael Henke?
Henke:
Ein sehr positives! Wir haben im HOLM für unser Center für Logistik und Mobilität einen wirklich guten Standort gefunden, sowohl was die Lage direkt am Frankfurter Flughafen betrifft als auch hinsichtlich der Vernetzung mit Projektpartnern. Vor allem für unsere Schwerpunktthemen „Financial Supply Chain Management, Blockchain und Smart Contracts“ ist natürlich Frankfurt als Bankenstandort perfekt geeignet.
Clausen:
Frankfurt als europäisches Drehkreuz für Güter und Personen ist ein perfekter Standort für die Verkehrs- und Mobilitätsforschung, und diesen Vorteil nutzen wir für unsere Themen in den Bereichen Luftverkehrslogistik und Mobilität. Wir arbeiten hier vor allem an Fragen zur vernetzten Mobilität, zu intelligenten Fahrzeugen sowie zur Zukunft der Mobilität in der Stadt und auf dem Land.
Welche thematischen Schwerpunkte wurden in den vergangenen drei Jahren gesetzt, was für Projekte gab oder gibt es?
Clausen:
Wir haben in verschiedenen Studien aktuelle Mobilitätstrends aus der Perspektive verschiedener Stakeholdergruppen untersucht, zum Beispiel den Einfluss von Digitalisierung, neuen Technologien und Mobilitätsoptionen auf Geschäftsreisende und das Travel Management. Bei einer Studie für eine Polizeibehörde ging es um die Auswirkungen von Elektromobilität und vernetzten Fahrzeuge auf den Funkstreifenwagen der Zukunft, und in Bezug auf die Alltagsmobilität von Migranten haben wir Handlungsfelder und konkrete Maßnahmen für Städte, Kommunen und Politik erarbeitet. In der Luftverkehrslogistik gehörte die Planung des neuen Cargo-Terminals am Hamad International Airport in Doha/Katar zu unseren größten Projekten.
Henke:
Eines unserer größeren Projekte war sicherlich die Studie „Logistik und Mobilität in Hessen 2035“, die wir zusammen mit der HOLM GmbH veröffentlicht haben. Im Bereich Einkauf arbeiten wir in Frankfurt vor allem an den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für den Einkauf. Gemeinsam mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) haben wir einen Think Tank gegründet, in dem sich namhafte CPOs der deutschen Wirtschaft mit dem Einkauf 4.0 beschäftigen. Und beim bereits genannten Finance-Schwerpunkt haben wir mit der inclusive Supply Chain Finance Conference eine internationale Plattform für all diejenigen etabliert, die sich mit Themen wie Financial Supply Chain Management, Smart Payment und Smart Finance beschäftigen.
Was ist für die Zukunft geplant, welche Themen werden in den kommenden Jahren besonders wichtig sein?
Henke:
Auf jeden Fall unsere Vision von „Blockchain meets Supply Chain Management“! Wir sind aktuell dabei, eine Smart Contracting-Plattform aufzubauen. Auf ihr können einkaufende Unternehmen mit Lieferanten, Finanzinstituten und Versicherungen zusammenarbeiten, Lieferverträge abschließen, versichern und bezahlen. Damit schließt sich dann eine bisher bestehende Lücke bei der Realisierung der Vision vom Internet der Dinge. Cyberphysische Systeme können noch so weit entwickelt sein – wenn sie nicht auch eigenständig Verträge schließen können, bleiben die autonomen Einheiten Einzellösungen und sind nicht im ökonomischen Sinne komplett miteinander vernetzt. Und genau daran arbeiten wir.
Clausen:
Zu den wichtigen Themen der nächsten Jahre gehört sicherlich die Digitalisierung im Bereich der Luftverkehrslogistik. Dabei wird es um effiziente Prozesse im Sinne von Air Cargo 4.0, um die durchgängige Nutzung von Electronic Air Waybills (e-AWB) aber auch um Innovationen in Bereichen wie Smart Baggage Services oder Drohnen gehen. Im Bereich Mobilität werden wir vor allem die intelligente Vernetzung von Verkehrsmitteln vorantreiben, auf Digitalisierung im ÖV und auf vernetztes und automatisiertes Fahren fokussieren, aber auch neue Geschäftsmodelle für die Mobilität von morgen erarbeiten.