Es braucht nur einen Klick und der neuste Fitzek-Thriller, ein paar neue Schuhe oder sogar frische Lebensmittel werden über Nacht direkt zur Haustür geliefert. Was den Alltag unserer modernen Gesellschaft so sehr prägt, birgt für die Beschäftigten noch viele Hürden. Denn vergessen werden oft die körperlich anspruchsvollen Berufe, die hinter dieser Branche stehen. Was wir also brauchen, ist eine Möglichkeit, die körperliche und mentale Belastung der Beschäftigten (die häufig vernachlässigt wird) zu reduzieren – wie Superkräfte, nur eben besser.
Ohne den Transport oder die Lagerung von Gütern ist unser tägliches Leben schlichtweg nicht mehr denkbar. Trotzdem werden die Mitarbeitenden dieser Branche eher stiefmütterlich behandelt. »Bisher durchgeführte Forschungsprojekte zeigen deutlich, dass die Erfassung und Bewertung physischer und psychischer Gefährdungen in Unternehmen nicht ausreichend Beachtung finden. Genau dort setzt der Ergonomie Quick Check des Fraunhofer IML an: Er bietet dem Fachkräftemangel und den hohen Krankenständen in der operativen Logistik die Stirn, indem er zur Vermeidung und Vorbeugung von körperlicher und mentaler Gefährdung beiträgt«, erläutert Semhar Kinne, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IML. Durch die Kombination verschiedenster Methoden wie objektiver und subjektiver Einschätzungen von psychischen und physischen Anforderungen werden gesundheitliche Aspekte analysiert, ausgewertet und schließlich in individuellen Maßnahmen für die jeweiligen Unternehmen zusammengefasst. Die Analyse wird schrittweise durchgeführt, um möglichst alle Optimierungspotenziale zu identifizieren und Maßnahmen der Ergonomie mit ganzheitlichem Blick auf den Arbeitsplatz entwickeln zu können. Begonnen wird mit der Messung der physikalischen Ergonomie mit einer systematischen Belastungsanalyse mittels eines Motion-CaptureMesssystems. Dabei werden in Echtzeit Körperhaltungen, Bewegungsabläufe und körperliche Belastungen exemplarisch für einen Mitarbeiter pro Arbeitsplatz aufgezeichnet. Im nächsten Schritt wird darauf aufbauend ein Workshop mit den Prozessverantwortlichen durchgeführt, um die relevanten Leitmerkmalmethoden (LMM) zu ermitteln. Anschließend folgt die Messung der kognitiven Ergonomie: Eine repräsentative Gruppe von Mitarbeitenden wird anonym befragt – zu den subjektiven physischen und psychischen Arbeitsanforderungen und Beschwerden. Dazu zählen sowohl die Umstände rund um Arbeit und Beruf wie Arbeitsinhalt, Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und Arbeitsumfeld, als auch die Gesundheit und das Wohlbefinden, z. B. Gesundheitszustand, Muskel-Skelett-Beschwerden und die Arbeitsbelastung. Aus diesen beiden Analyseschwerpunkten werden die ersten Ergebnisse gezogen. Es wird ein Überblick zu den Belastungsschwerpunkten und Gesundheitsgefahren erstellt und erste Empfehlungen zu der ergonomischen Arbeitsplatz- und Prozessgestaltung gegeben. Allgemein sollen so die Einhaltung physiologischer Belastungsgrenzen gewährleistet und berufsbedingte Gefahren vermieden werden.
Dieser grundlegende Ergonomie Quick Check kann noch durch weitere Aspekte ergänzt werden, wie die Analyse der Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen. Dabei werden die Arbeitsplatzabmessungen mit den aktuellen deutschen Regelwerken in Bezug auf Arbeitshöhe, Greifraum, Anordnung von Anzeigen und Bedienelementen, Bewegungsraum, Messungen der Beleuchtungsstärke und des Schallpegels verglichen. Eine weitere Option ist die Testung von Exoskeletten. Dazu werden Mitarbeitende und Führungskräfte ausführlich geschult und der gesamte Vorgang von professionellem Personal begleitet. Nachdem die Technologie vorgestellt wurde, können Freiwillige das Konstrukt anlegen und anpassen lassen. Wie schon zu Beginn werden die relevanten Arbeitsabläufe nun mit den Exoskeletten getestet. Dieser Vorgang wird auch nochmal mithilfe von Fragebögen ausgewertet, um den Mehrwert genau darstellen zu können und das Feedback der Mitarbeitenden einzuholen. Durch das Zusammenspiel dieser Maßnahmen können an den jeweiligen Arbeitsplätzen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erzielt werden und so schließlich den großen Problemen einer gesamten Branche wie der Belastungs- und Beschwerdesituation und dem Fachkräftemangel in den Betrieben entgegengewirkt werden. Nur durch den Einsatz von Arbeits- und Gesundheitsmaßnahmen können körperlich anstrengende Berufe attraktiver und zugleich auch zukunftsorientierter gestaltet werden, um die kleinen Heldentaten weiterhin zu ermöglichen, die uns allen den Alltag erleichtern.